Fake News: Waffentragen erhöht Mordrate

Der Spiegel schrieb gestern:

Rund drei Millionen US-Bürger tragen laut einer neuen Studie täglich eine geladene Schusswaffe bei sich. Neun Millionen US-Bürger gehen mindestens einmal im Monat bewaffnet aus dem Haus, wie sich aus einer Studie des „American Journal of Public Health“ ergibt.

Wenn die Strafverfolgungsbehörden in den einzelnen Bundesstaaten die Möglichkeit hätten, fragwürdigen Antragstellern die Erlaubnis zum Waffentragen zu verwehren, sinke auch die Mordrate, schreibt der „Standard“. Die Raten fallen demnach je nach Gesetzeslage um 6,5 beziehungsweise 8,6 Prozent niedriger aus.

Spiegel vom 20.10.2017

Woher „Standard“ und Spiegel jetzt ihre Weisheit herhaben, erschließt sich in dem Artikel nicht. Es werden einfach zwei Grafiken mit Todesfällen und der legale Besitz von Schusswaffen gezeigt. Das war’s!

Lizenz zum Waffentragen

Keine Beachtung wird der Tatsache geschenkt, dass US-Bürger mit einer Lizenz zum Waffentragen (Waffenschein) rechtstreuer sind als Polizisten und auch als der Bevölkerungsdurchschnitt.

Auch werden Schusswaffen von Leuten mit Waffenschein fast nie missbraucht und es kam auch kein Lizenzinhaber wegen Mord/Totschlag mit der Waffe bisher ins Gefängnis. Auch in den USA werden Tragelizenzen widerrufen, wenn sich jemand gewalttätig verhält. Die Angst, die hier vom Spiegel geschürt wurde, ist somit unbegründet.

Es kommt in den USA jedoch laufend zu „Papercrime“, wenn Menschen mit Tragelizenz zufällig die Staatsgrenze passieren und dann „illegal“ ihre Waffe dort führen. Solch Grenzüberschreitungen kommen häufig vor, da etliche Straßen einfach zwischen zwei Staaten hin- und herpendeln.  Aus diesem Grund möchte die NRA, dass Tragelizenzen – analog zum Führerschein – in allen Staaten anerkannt werden sollen.

Verhältnis Waffenbesitz zu Gewaltdelikten

Dr. Christian Westphal hatte die Daten aus den USA auf Landkreisebene untersucht. Dabei konnte er keinen Zusammenhang zwischen „Waffenbesitz pro Kopf“ und „Gewaltdelikte pro Kopf“ finden.  Damit war die – von Medien und Waffenkontrollaktivisten oft zitierte – Studie „The social costs of gun ownership“ von Philip Cook (Duke University) und Jens Ludwig (University of Chicago) widerlegt. Die Autoren – wie auch die meisten Journalisten – sind in die Falle der „Scheinkorrelation“ getappt. Im Interview mit dem DJV erklärte Westphal dieses Phänomen:

Ein prominentes Beispiel hierfür ist „Störche bringen Babys“: Es lässt sich tatsächlich eine deutliche positive Korrelation zwischen „Störche je Einwohner“ und „Babys je Einwohner“ finden. Störche und Babys haben natürlich nichts miteinander zu tun; der Zusammenhang wird lediglich und rein technisch durch den „je Einwohner“-Teil in der Variablen erzeugt.

Sie können so auch Weihnachtsbäume pro Einwohner und Feldhasen pro Einwohner korrelieren. Dann ist es – überspitzt ausgedrückt – für einige nur noch ein kleiner Schritt zu behaupten, dass Feldhasen Weihnachtsbäume schmücken.

Meine Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Schusswaffen und Gewaltkriminalität in den USA zeigt, dass sich nicht mal dort, bei wesentlich mehr Waffenbesitzern und mehr Gewaltkriminalität, ein auf Landkreisebene messbarer Zusammenhang zwischen beidem finden lässt.

Statistik mit Stolpersteinen – Westphal im Inverview mit dem DJV

Wer das nicht glauben will, der möge sich diese Grafik mal anschauen, die in den USA Waffenbesitz und Mordrate vergleicht:

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Verhältnis Mordrate zu restriktiven Waffengesetzen

Die Brady Kampagne listet seit Jahren die verschiedenen US-Staaten in Bezug auf ihr Waffenrecht. Der sogenannte „Brady Score“ ist umso höher, je restriktiver ein US-Staat sein Gesetz verfasst hat.

Hätten Spiegel, Standard & Co. mit ihrer Annahme Recht, dann gäbe es in US-Staaten mit hohem Brady Score (rechts) die wenigsten Schusswaffentoten und in US-Staaten mit niedrigem Brady Score (links) die meisten.

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Wie man sieht, gibt es keine Korrelation. Die Seite zeigt auch noch die Verhältnisse für Selbstmorde und Massenschießereien auf.

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Priorities for Research to Reduce the Threat of Firearm-Related Violence. Washington, DC: The National Academies Press

Wer es noch amtlicher haben möchte, der möge sich den Meta-Studienbericht von 2013 durchlesen, den Obama nach Sandy Hook in Auftrag gab.

Eine Zusammenfassung davon gibt es hier: Obama Study Concluded Firearms Used for Self-Defense ‘Important Crime Deterrent’.

Ganz kurz ist es wie folgt zusammengefasst:

  • Der Einsatz von Schusswaffen ist die sicherste unter den untersuchten „Selbstschutzstrategien“
  • Die meisten Todesfälle mit Schusswaffen sind Selbstmorde
  • Verbrecher besitzen selten gestohlene (vormals legale) Schusswaffen.
  • Es gibt keinen Beweis dafür, dass Waffenbeschränkungen Waffengewalt reduzieren.

Fazit

Leider ist es so, dass einfache „Lösungen“ verlangt werden, die wenig Widerstand erwarten. Dabei ist es völlig egal, ob diese „Lösungen“ den gewünschten Effekt bringen oder nicht. Hauptsache, es lässt sich gut verkaufen.

Waffenverbote sind relativ einfach umsetzbar und betreffen nicht die Mehrheit der Bürger. Selbst in den USA besitzen „nur“ 30% der Haushalte Waffen. In Europa sind es sicherlich nur 5 bis 10%.

Die Menge der Artikel in den Medien, die eine Scheinkorrelation zwischen Waffenbesitz und Gewalt suggerieren, läßt mich ahnen, wie die Politik die EU-Waffenrichtlinie demnächst umsetzen will: äußerst restriktiv.

8 Gedanken zu “Fake News: Waffentragen erhöht Mordrate

  1. Die Macht der Medien ist erschreckend. Gut das es Blog`s wie von Frau Triebel, GRA und viele andere gibt –
    UNSERE WAFFENLOBBY !

    Bitte weiter so !

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  2. Der Begriff „Scheinkorrelation“ könnte allerdings mißverstanden werden.
    Korreliert sind die betrachteten Größen ja – ebenso wie Störche und Babies pro Einwohner. Oder der Anstieg von CD-Verkäufen und AIDS-Erkrankungen in den 80er Jahren: Sie entwickeln sich unwiderlegbar nach einem gemeinsamen Statistischen Muster.
    Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, deutlich zu machen, dass eine bloße Korrelation noch lange keine Kausalität bedeutet: Weil sich zwei Größen nach einem gemeinsamen Muster bewegen, besteht noch lange kein Abhängigkeitsverhältnis.
    Auch wenn die Versuchung, ein solches „mal eben“ zu behaupten (weil es ja „ganz klar ersichtlich“ ist) offenbar oftmal unwiderstehlich ist.

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    • Es handelt sich eher um eine Scheinkausalität, die Art der Korrelation bestimmt der Untersucher, letztlich. MIt ein bischen Willen zur Sachinformation könnten selbst deutsche Dschornalisten erkennen, oder jemanden fragen, um zu erfahren dass das geballter Unfug ist was hier als „Studie“ geadelt wird.

      Die Untersuchung aus der Spon etc. unbeholfen aber zielstrebig zitieren hab ich mir angetan. Dreister Unsinn der eigentlich nicht durch eine review kommen dürfte.

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  3. Es ist wie mit so vielen anderen Beiträgen, die von gewissen Medien alltäglich im „Pressewald“ abgegeben werden: alles was nicht der kontrollierten und damit gutgeheißenen „Meinung“ in diesem Land entspricht, wird gnadenlos zerrissen, verfälscht dargestellt und wider besseren Wissen veröffentlich.
    Dies ist nur ein Baustein für die Medien – und Politikverdrossenheit, die in der sog. „freien“ westlichen Welt immer mehr um sich greift. Und da sind wir wieder bei dem Thema, was sich in letzter Zeit immer mehr wie ein „roter Faden“ durch alle Medien zieht: selbsternannte „Eliten“ erdreisten sich, über die Köpfe der Bevölkerung ihren geistigen Dummsinn zu verbreiten.

    Es schmerzt mich sehr zu sehen, wie ein um die andere Errungenschaft der freiheitlichen Meinungsbildung fast tagtäglich demoniert wird.

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  4. Gary Kleck kam 2015 in einer Überblicksarbeit („The Impact of Gun Ownership Rates on Crime Rates: A Methodological Review of the Evidence“) zu dem Ergebnis, dass die methodisch ausgereifteren Studien keinen ursächlichen Zusammenhang finden.

    Er wundert sich darüber, wieviel Schrott da publiziert wird:
    “… it is something of a mystery why so many poor quality studies on this topic continue to be published, despite their conspicuous failures to solve any of the most fundamental methodological problems. At minimum, the work by Kleck and Patterson (1993) and Kovandzic et al. (2012, 2013) demonstrated that the problems identified herein are amenable to credible solutions, and that research that makes a serious effort to solve these problems arrives at conclusions exactly opposite to those drawn in studies that do not make such efforts. While numerous poor quality studies point to crime-increasing effects of higher gun ownership rates, no methodologically adequate studies have done so.“

    https://www.researchgate.net/publication/270825500_The_Impact_of_Gun_Ownership_Rates_on_Crime_Rates_A_Methodological_Review_of_the_Evidence

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    • Ja, das ist wirklich ein wichtiges Papier, das ich auch in der Folgenabschätzung für die EU-Waffenrichtlinie erwähnt hatte mit folgendem Auszug:

      Unfortunately, research on the effect of gun levels on homicide and other crime rates has generally been of poor quality, and prior reviews of the evidence have failed to systematically sort out the methodologically better studies from the less sound ones. To summarize, the only prior research that supports the hypothesis that higher gun ownership rates cause higher crime rates is research that makes at least one, and usually all of, the three fundamental methodological errors identified here. Conversely, research that avoids or minimizes these flaws consistently finds no support for the hypothesis. Technically weak research mostly supports the hypothesis, while strong research does not.
      It must be tentatively concluded that higher gun ownership rates do not cause higher crime rates, including homicide rates.

      Why does gun prevalence not have a significant positive effect on homicide?
      The most likely explanation is that

      a) most guns are possessed by non-criminals whose only involvement in crime is as victims, and
      b) defensive gun use by crime victims is both common and effective in preventing the offender from injuring the victim.

      These violence reducing-effects of guns in the hands of victims may roughly cancel out the violence-increasing effects of guns in the hands of offenders, resulting in a near-zero net effect on homicide rates (Kovandzic et al., 2012, 2013)

      Unglücklicherweise war die Erforschung der Auswirkungen von Schusswaffen auf Tötungsdelikte und andere Kriminalitätsraten im Allgemeinen von schlechter Qualität, und frühere Überprüfungen der Beweise haben es versäumt, die methodisch besseren Studien systematisch von den weniger soliden zu unterscheiden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nur die frühere Forschung, die die Hypothese unterstützt, dass höhere Waffenbesitzraten höhere Kriminalitätsraten verursachen, aus Stuiden besteht, die mindestens einen und in der Regel alle drei grundlegenden methodischen Fehler, die hier identifiziert werden, machten. Umgekehrt findet die Forschung, die diese Fehler vermeidet oder minimiert, keine ständige Unterstützung für die Hypothese. Technisch schwache Forschung unterstützt meistens die Hypothese, während eine starke Forschung dies nicht tut.

      Es muss vorläufig der Schluss gezogen werden, dass höhere Waffenbesitzraten keine höheren Kriminalitätsraten verursachen, einschließlich Mordraten.

      Warum hat die Waffenprävalenz keinen signifikanten positiven Effekt auf den Mord?
      Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass
      a) Die meisten Waffen sind im Besitz von Nicht-Kriminellen, die nur als Opfer bei Verbrechen iinvolviert sind und
      b) der defensive Einsatz von Waffen durch Verbrechensopfer ist häufig und wirksam, um zu verhindern, dass der Täter das Opfer verletzt.

      Diese gewaltreduzierenden Effekte von Waffen in den Händen von Opfern können die gewalttätigen Effekte von Waffen in den Händen von Straftätern neutralisieren, was zu einem Nettoeffekt von fast null zu den Mordraten führt (Kovandzic et al., 2012, 2013).

      https://www.academia.edu/30595843/Impact_Assessment_on_EU_Firearms_Directive

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      • Hallo Frau Triebel,

        die eigentliche Unverschämtheit hinter der Forderung „Homicide=0“ Rate ist dabei die Implikation das sämtliche „lawfull Killings“, also die rechtmäßigen Handlungen mit Todesfolge durch Amtsträger und Zivilisten als verdammenswert dargestellt werden! Dabei wusste schon Beccaria das es eine kriminalitätsfreie Gesellschaft nicht geben kann. Wünschenswert ist sicher eine kriminalitätsarme, wer wollte diese nicht?
        Nur muss es eben auch für Zivilisten möglich sein auch technisch, nicht nur mental und körperlich, befähigt zu sein Notwehr/Nothilfe leisten zu können. Dabei können selbstverständlich Angreifer bei einer rechtswidrigen Handlung auch so geschädigt werden das diese an den Folgen versterben. Das ist nicht schön, aber hinzunehmen. Schon allein deshalb kann in einer Gesellschaft in der Zivilisten technisch notwehrfähig sind, die Todesrate bedingt durch erfolgreiche Trutzwehrhandlungen nur begrenzt, aber nie auf Null gebracht werden. Außer natürlich solche rechtswidrigen Angriffe würden unterbleiben.

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