Waffenverbote

Dies ist eine Kurzfassung des Beitrags „Können Waffenverbote und Waffenkontrollen Gewalt verhindern?“ mit drei zusätzlichen Kreisdiagrammen.

Kurzlink: http://tinyurl.com/Waffenverbote

Können Waffenverbote und Waffenkontrollen Gewalt verhindern?

Wissenschaftler aus dem In- und Ausland belegten anhand von Studien und Statistiken, dass Waffenverbote keinen positiven Effekt auf die Gewaltkriminalität haben.[1] Gesetzestreue Bürger werden durch den Besitz von Waffen nicht zur Gewalt verführt.[2] Rechtsbrecher kümmern sich nicht um Verbote; sie besorgen sich ihr Tatmittel illegal oder ersetzen es, z.B. durch Messer, Brenn- oder Explosivstoffen.[3] Doch wie sieht es in Deutschland aus? Helfen Verbote, um Gewalt zu verhindern?

Können Waffenverbote Amokläufe verhindern?

Kriminologen auf der ganzen Welt, und seit einigen Jahren auch in Deutschland, untersuchen intensiv das Phänomen Amoklauf. „Während in früheren Zeiten bei der Tatausführung traditionelle Klingenwaffen verwendet wurden, die jeder besaß, so werden heute unter anderem Schusswaffen, Handgranaten und auch Fahrzeuge eingesetzt. […] Ein Amokläufer, der leichten Zugang zu Waffen hat,[…] wird sicher eher Schusswaffen verwenden als jemand, der im Alltag kaum an eine Waffe gelangen kann.“(Scheithauer & Bondü)[4] So stellten Schmidtke et al. (2002) einen überraschend hohen Anteil von Berufswaffenträgern bei den Amokläufern fest, nämlich 26% Soldaten und 7% Polizisten.

„Maßnahmen, die sich allein auf gesetzliche Vorgaben berufen, scheinen somit nicht geeignet, um Amokläufer bzw. School Shootings zu verhindern, sie können einen Erwerb oder den Zugang zu den Waffen allenfalls erschweren. Der illegale Erwerb […] scheint zudem kaum kontrollierbar sein. Somit gilt es vor allem, bei der möglichen Tat selbst sowie bei den möglichen Tätern und ihrem sozialen Umfeld anzusetzen, um weiteren Taten vorzubeugen.“ (Scheithauer & Bondü)[5]

Der Zugang zu Waffen ist nur eine von vielen Komponenten, jedoch nicht der Auslöser, da das Tatmittel – wie auch bei Beziehungstaten – zweitrangig ist. Die hohe Präferenz von Schusswaffen hat nichts mit deren Letalität zu tun. Massentötungen mit Brand- und Explosivstoffen wären wesentlich „effektiver“, was die Opferzahl angeht, insbesondere, wenn die Tat in geschlossenen Räumen, wie Klassenräumen, Flugzeugen oder Kinos ausgeübt wird.

40% der Amokläufe finden innerhalb von zehn Tagen nach aufwändiger Medienberichterstattung statt (Nachahmungstat bzw. „Werther-Effekt“). Die Täter wollen Helden sein, sie wollen in die Medien, als Herrscher über Tod oder Leben wirken, etwas darstellen und Aufmerksamkeit bekommen („Ikonosierung“).[6] Dafür riskieren sie ihr eigenes Leben und nehmen den Tod vieler Unschuldiger in Kauf. Oft bereiten sie sich viele Monate oder Jahre auf ihre Tat vor. Die aufwändige Berichterstattung ist somit nicht der Grund für die Tat, sondern eher Katalysator, der den Zeitpunkt der Tat und auch ihren Ablauf (Nachahmung mit Schusswaffen) mitbestimmt.

Der Einsatz von Schusswaffen ermöglicht eine vorab geplante Inszenierung inklusive Opferauswahl und garantiert hohe Medienpräsenz. Bei Explosionen und Bränden würden zwar mehr Menschen sterben, aber der Medienrummel wäre kleiner, der Täter könnte die Effekte schlechter kontrollieren und er hätte keine machtvolle Auswahl der einzelnen Opfer. Präventionsforscher empfehlen aus diesen Gründen Presseberichtsverbote, um die Ikonosierung des Täters zu verhindern.[7][8]

Können Verbote von bestimmten Waffentypen die Auswirkungen von Gewalt reduzieren?

Die meist genutzten Schusswaffen bei kriminellen Delikten und Amokläufen sind großkalibrige Kurzwaffen. Die Annahme, dass bei einem weltweiten Verbot dieses Waffentyps weniger Menschen sterben müssen, hört sich plausibel an.

Der Kriminologe Gary Kleck widerlegte bereits 1993 diese Annahme in seinem preisgekrönten Buch „Point Blank“, das auch von Waffenkontrollbefürworten als einwandfrei begutachtet wurde, auch wenn sie seine Schlussfolgerungen nicht mögen.

Kleck ordnete die Waffentypen anhand ihrer Letalität.[9] Langwaffen sind die tödlichsten Waffen, da ihre Geschosstypen schwerste Verletzungen verursachen und man auf kurze Entfernung nur unkontrollierte Schüsse abgeben kann. Kurzwaffen sind kontrollierbare Nahkampfwaffen. Die Schussverletzungen durch Kurzwaffen sind weniger tödlich als die von Langwaffen, jedoch tödlicher als die durch Messer beigebrachten Verwundungen. Die Verletzungen von Messern sind weniger gefährlich als die von Schusswaffen. Bei Gewaltdelikten mit Messern bleibt es jedoch selten beim Drohen, stattdessen überwiegen die Attacken. Bei 50% aller Gewaltdelikte mit Schusswaffen, werden diese nur zum Drohen eingesetzt. 80% der mit Schusswaffen abgegebenen Schüsse gingen lt. einer US-amerikanischen Studie am Opfer vorbei. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass Schusswunden 3 bzw. 4 mal tödlicher sind als Verletzungen aus Messerattacken.

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Klecks Schlussfolgerungen ergaben:[10]

  • Werden Kurzwaffen verboten, weichen Kriminelle auf Langwaffen oder Messer aus. Beide Substitute würden zu mehr Verletzten und Toten führen, da die Verwendung von Langwaffen gefährlicher ist und die von Messern häufiger zu einem Angriff mit Verletzungen führen.
  • Kurzwaffen werden weltweit viel häufiger zum Schutz als zum Angriff eingesetzt. Berufswaffenträger (Polizei, Zoll, Personenschützer und Wachpersonal) und auch viele gesetzestreue Bürger in den Industriestaaten nutzen Kurzwaffen zur Verteidigung bzw. Selbstverteidigung.

Warum sind bestimmte Waffentypen verboten?

Nach medienwirksamen Gräueltaten mit Schusswaffen fühlt sich die Politik verpflichtet, die Angst der Bevölkerung zu lindern. Verbote, insbesondere kurz vor Neuwahlen, kommen dabei immer gut an, scheinen sie doch eine Wiederholung der Tat ausschließen zu können.[11] Da mit Widerstand der rechtsmäßigen Besitzern zu rechnen ist, wird national meist der Waffentyp verboten, der entweder wenig verbreitet ist oder dessen Besitzer die schwächste Interessenvertretung haben.

Dies geschah 1997 nach einem Amoklauf in England beim Verbot halbautomatischer Kurzwaffen. Dort standen 162.000 Kurzwaffen ca. 2,5 Millionen Langwaffen gegenüber.[12] Dies geschah 2003 in Deutschland nach dem Amoklauf in Erfurt. Es wurde nicht die eingesetzte Kurzwaffe verboten, sondern die wegen eines Defekts nicht eingesetzte kurze Pumpflinte. Das Verhältnis zwischen diesen beiden Waffentypen in rechtmäßigen Besitz lag bei mindestens bei 1 : 100.000. Zudem wurden die Altersgrenzen zum Training und Erwerb angehoben und ein psychologisches Gutachten für junge Erwachsene eingeführt. Auch wurden 2003 Wurfsternen sowie Spring-, Fall-, Faust- und Butterflymesser verboten, die keine Interessenvertretung besaßen.[13] Wegen der fehlenden „Messerlobby“ kam es 2008 gegen den Willen der GdP zudem zum Führverbot gewisser Messertypen.[14]

Es ist schwierig, nach Gräueltaten einen kühlen Kopf zu bewahren. Die Neuseeländer hatten dies nach ihrem Amoklauf geschafft. Auch dort wurde über Verbote und Kontrollen nachgedacht. Letztendlich entschloss man sich, die in Verbrechen am häufigsten eingesetzten Schusswaffen stärker zu kontrollieren, verzichtete aber auf die strikte Kontrolle von deliktirrelevanten Waffentypen. Die dadurch freigehaltenen Ressourcen wurden in die Strafverfolgung gesteckt.

In Deutschland bewirken die strikten Verbote und Kontrollen nicht nur Ressourcenverschwendung, sondern führen auch zu lächerlichen Maßnahmen. So stufte das Bundeskriminalamt Badezimmer-Garderobenhaken im „Ninja-Stil“als verbotene Waffen ein und beschlagnahmten Polizisten auf Flughäfen Cluster-Handtaschen mit Schlagringverschluss. Während rechtstreue Bürger sich vor Gericht wegen des Besitzes dieser verbotenen „Waffen“ behaupten müssen, interessieren sich die Kriminellen überhaupt nicht für Verbote. Regelmäßig stellen Polizisten auch acht Jahre nach dem Waffenverbot Butterflymesser, Schlagringe und Wurfsterne bei Kriminellen sicher.

Können Waffenkontrollen Gewalttaten verhindern?

Es deutet vieles darauf hin, dass Waffenbesitz nicht zu Gewalt führt, jedoch Gewalttäter sich zu Waffen hingezogen fühlen.

Die polizeiliche Kriminalstatistik in Deutschland zeigt, dass 40% der Gewalttäter bereits eine kriminelle Historie aufweisen und ein großer Anteil der Gewaltverbrechen unter Alkoholeinfluss begangen wird. Kontrollen, die den Zugang zu Waffen von Gewalttätern und Alkoholabhängigen verhindern, können daher sehr sinnvoll sein. In Deutschland und in der EU erhalten Gewalttäter daher keine legalen (registrierten) Schusswaffen.

In Deutschland werden Schusswaffen in 0,2% aller Straftaten eingesetzt. Bei Gewaltdelikten liegt ihr Anteil bei ca. 3%. Davon stammen ca. 50% aus illegalem Besitz, über 40% sind frei verkäuflich, d.h. über 90% stammen aus unkontrolliertem Besitz. Der Anteil der bei Gewaltverbrechen eingesetzten Schusswaffen, deren Besitz vom Staat kontrolliert wird, liegt im Promillebereich.

Gewalttaten
Quelle: Bundeslagebilder Waffenkriminalität und PKS

Laut einer Studie von Prof. Heubrock und anderen europäischen Studien werden legal besessene Schusswaffen fast ausschließlich in Beziehungstaten – auch Amokläufe zählen hierzu – missbraucht. Hier stehen Täter und Opfer fest, nur das Tatmittel ist beliebig. Wäre keine legale Schusswaffe vorhanden, würde das Tatmittel ersetzt werden.[15]

Der Kriminologe Kleck hält ein generelles Verbot für ungeeignet, um Gewalttaten zu verhindern. Auch ein Waffenverbot für Gewalttäter hätte nur einen bescheidenen Erfolg. Seiner Ansicht nach ist das Gewaltproblem nur zu lösen, wenn Armut, Ungerechtigkeit und die dadurch entstandenen sozialen Probleme reduziert werden können.[16]

Eine gewagte Behauptung, die sich zwölf Jahre später für die USA[17] bewahrheitete. Eine Task Force wertete drei Jahre lang 51 verschiedenen Studien aus – rund um Schusswaffen, Kriminalität und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen. 2003 musste sie zugeben, dass es keinen Nachweis gäbe, dass Waffengesetze Gewalt verhindern können. Studien in England (2008),[18] für Australien, Kanada und Neuseeland (2010)[19] und für die Niederlande, Schweden und Finnland (2011)[20] scheinen diese Behauptung ebenfalls zu belegen. Armut, Arbeitslosigkeit und Drogen haben großen Einfluss auf Gewaltdelikte mit Schusswaffen, Waffengesetze werden jedoch von Kriminellen ignoriert.

Update 2015

Da mehrmals nachgefragt wurde, hier noch einige Daten aus Berlin, die ich 2011 auswerten konnte, da der damalige fraktionslose Abgeordnete René Stadtkewitz (Die Freiheit) so freundlich war, einige kritische Fragen als Kleine Anfragen zu stellen. Im Nachhinein fällt auf, dass die Fragen noch besser hätten gestellt werden können, dass viele Fragen nicht beantwortet werden konnten, weil sich niemand die Mühe macht, Gesetze auf ihre Effektivität zu überprüfen. Insgesamt ist es jedoch sehr verwunderlich, warum noch keine andere Oppositionspartei in diesem Land ähnliche Fragen gestellt hat.

Links und Beschreibung der Berliner Zahlen findet man in dieser PDF (804 KB) :
Waffenrechts-Reformen und Evaluation am Beispiel Berlin 2003-2010

Berliner-Evaluation
Evaluation Berlin: http://bit.ly/2yO3XxB

 

[1] ISEC-Studie 2011: Homicide in Finland, the Netherlands and Sweden : There seems not to be any clear correlation between firearm ownership (at least legal firearm ownership) prevalence and homicide rates in Europe (Granath 2011; Kivivuori & Lehti 2010)”.(p. 30)

[2] Don B. Kates (et al), 1994, Guns and Public Health: Epidemic of Violence or Pandemic of Propaganda?“, Tennessee Law Review, pp 9-10

[3] Gary Kleck, 1991, Point Blank, Library of Congress , pp 91-95

[4] Herbert Scheithauer und Rebecca Bondü, 2011, Amoklauf und School Shooting, Vandenhoeck, pp 105-108

[5] ebenda

[6] Frank J. Robertz et al., 2010, Der Riss in der Tafel, SpringerMedizin, pp 93-106

[7] Frank J. Robertz et al., 2010, Der Riss in der Tafel, SpringerMedizin, pp 99-101

[8] Prof. Dr. Henning Ernst Müller, 2012, Kein Podium für ruhmsüchtige Attentäter, Legal Tribune

[9] Gary Kleck, 1991, Point Blank, Library of Congress , pp 91

[10] Gary Kleck, 1991, Point Blank, Library of Congress , pp 153-203

[12] Colin Greenwood, 2010, ‘Outlawing guns a mistake’, Online-Kommentar

[16] Gary Kleck, 1991, ‘Point Blank’, Library of Congress , p 445

[17] Centers for Disease Control and Prevention, 2003, Auswertung von 51 Studien zur Waffenkontrolle

[19] Samara McPhedran et al, 2010, Firearm Homicide in Australia, Canada, and New Zealand

8 Gedanken zu “Waffenverbote

  1. Ein verbot wird nie ein Garant sein etwas zu verhindern. Bestenfalls erschwert es etwas. Mit anderen Worten sagte ich mal:

    Da gibt es den Spruch „Schwerte zu Pflugschar“. …. selbst wenn man das umgesetzt hätte würde die Welt erleben das es Leute gibt die dich mit der Pflugschar erschlagen.

    Wir haben den Fakt das wir Waffen geschaffen haben. Damit haben wir auch einen ursprünglichen Sinn und Zweck verbunden der im Anfang darin lag uns mit der Waffe Nahrung zu verschaffen und uns gegen Gefahren zu wehren. Bis heute wird wohl niemand in dieser Grundlage einen Anstoß zur Empörung finden und gerade jene die so sehr mit der Sache „zurück zur Natur“ werben werden feststellen das sie so alleine in freier Natur mit einer Waffe etwas besser gestellt sind und das Überleben wahrscheinlicher gelingen wird als ohne Waffe.

    Der mensch entwickelte sich so das fast alles eine Norm haben soll und alles wie auch immer unter Kontrolle stehen müsse. Das ist auch nicht gerade die Art von freiem Leben. Wenn doch so viele Waffen Kritiker gegen Waffen sind aber auf der anderen Seite eine Welt ohne Grenzen schaffen wollen wie erklärt man die Grenzen die man um Waffen schafft ? Warum auf der einen Seite Grenzen abbauen und auf der anderen Seite wieder Kontrollen und Grenzen und Gesetze ?

    Es wird immer Leute geben die mit und ohne Waffe den dollsten Unsinn machen egal ob man Grenzen oder Gesetze hat und Normen und was weis ich nicht noch.

    Wir brauchen uns nicht von Waffen zu trennen aber wir sollten anfangen uns von Leute zu trennen die uns in sinnlosen Grenzen und Gesetze gefangen halten und wir sollten uns von leute trennen die einfach ganz normale natürliche Gesetze überschreiten und mit oder ohne Waffe Unheil tun.

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  2. Jeder „normal“ denkende und vernünftige Mensch kann diesen Worten nur zustimmen.
    Lassen Sie diese wahren Erkenntnisse jeden einzelnen grünen Politiker zukommen.
    Vielleicht kommt der eine oder andere zur richtigen Erkenntnis.
    Besser als Hasch zu legalisieren!
    mfG
    Eduard Kapusta

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    • Zum Glück ist der Mensch wesentlich humaner als uns die Apokalypsefilme und Hobbes einreden wollen.
      Ich empfehle Rebecca Solnits Buch „Paradies built in Hell“. Alle Katastrophenforscher finden mehrheitlich Menschenfreundlichkeit, Hilfsbereitschaft und das Gute. Erst wenn der Staat sich einmischt, weil die Eliten Angst bekommen, kippt die Situation in Angst und Plündern um.

      Mal darüber nachdenken.

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