Frauenhaß?

Gestern Abend hat ein oder haben zwei Männer in Isla Vista sechs Menschen getötet und sieben weitere verletzt, einen davon lebensgefährlich. 24 Stunden vorher hatte der vermutliche Täter ein Video hoch geladen, in dem er Rache an den Frauen schwor, die ihn seit acht Jahren abblitzen ließen. Er sei mit 22 Jahren immer noch jungfräulich, aber morgen würde er es den „blonden Schlampen“ zeigen. Morgen spiele er Gott und würde sich an ihnen rächen. Ich würde mich daher nicht wundern, wenn alle „willkürlich“ ausgewählte Opfer sich als weiblich herausstellen. Diejenigen, die sich vor dem gestrigen Angriff retten konnten und darüber in den Zeitungen berichteten, waren alles Frauen. (Da habe ich mich geirrt, die ersten drei Opfer waren männlich und wurden von ihm in seinem Appartement erstochen).

Was bitte geht in so einem Menschen vor?

Wieso erlaubt er sich, Unschuldige für seine Minderwertigkeitskomplex mit dem Tod zu strafen?

Diese Fragen stelle ich mir seit ich 1989 von dem Massenmord in Kanada hörte.

Der Täter betrat einen Raum, in dem ein Maschinenbau-Seminar mit etwa 60 Studenten stattfand. Er forderte die anwesenden Frauen und Männer auf, sich in verschiedenen Ecken des Raums zu gruppieren. Die Studenten hielten die Aufforderung zunächst für einen Witz und bewegten sich nicht vom Platz, bis der Täter in die Decke schoss. Er trennte dann die neun Frauen von den etwa 50 Männern und beorderte die Männer, den Raum zu verlassen. Er fragte die Frauen, ob sie wüssten, weshalb sie dort seien und als eine Studentin mit „Nein“ antwortete, sagte er: „Ich kämpfe gegen den Feminismus“. Die Studentin, die zuvor gesprochen hatte, versicherte, sie seien keine Feministinnen, woraufhin der Täter schrie: „Ihr seid alle ein Haufen von Feministinnen. Ich hasse Feministinnen.“ Er schoss dann auf die neun Frauen von links nach rechts, tötete sechs und verletzte drei. (Wikipedia – Namen des Täters von mir anonymisiert)

Wie eventuell bekannt ist, bin ich seit den 80er Jahren EMMA-Leserin und Femministin. 1991 berichtete EMMA vom Mord an Angelika Bayer. Im Gegensatz zu den Solidaritätsaktionen gegen Ausländerhass (Stichwort Hoyerswerda) blieb dieser Mord unbeachtet. Keine Mahnwachen, keine Kerzen, Blumen, Blitzlichter und TV-Kameras.

Nach dem Fall Bayer hat EMMA eine Kampagne gegen Frauenhass initiiert. Wir appellierten an unsere LeserInnen, uns Zeitungsausschnitte von ermordeten Frauen zu schicken. Im Jahr 1993 waren es allein in Deutschland über 800 – 200 mal soviel Todesopfer des Sexismus wie des Rassismus in diesem Jahr. (EMMA online)

800 weibliche Opfer schickten die EMMA Leserinnen ein. Dabei zeigt die PKS aus dem Jahr 1993 nur 500 vollendeten Mord/Totschlag mit weiblichen Opfern, worunter in diesem Jahr zudem noch alle Maueropfer fielen, da diese 1993 angeklagt wurden. Verstecken sich die anderen Opfer unter den 17.000 weiblichen Opfern von vollendeter schwerer Körperverletzung? Wir wissen aus eigener Recherche, dass nur ein Bruchteil der Morde in den Zeitungen auftaucht. Auch gibt es für Mord eine Dunkelziffer. Es kann somit sein, dass viel mehr Frauen 1993 ermordet wurden als die Zahlen der Statistik uns darüber Auskunft geben.

Die Statistik unnatürlicher Todesfälle gibt es leider nicht für das Jahr 1993 online, um dort nachzuschauen. Seit 1998 sterben im Schnitt 12.000 Frauen pro Jahr durch äußere Umstände. 8000 tauchen als Unfall auf, 2500 als Selbstmord, 500 als medizinische Komplikation, 250 durch tätlichen Angriff und 800 bei Ereignissen, die ungeklärt sind.

Seit der EMMA-Kampagne bin ich sensibilisiert, wenn ich die Worte Beziehungsdrama oder -tragödie in den Zeitungen lese. Fast immer versteckt sich dahinter ein Mann, der vor seinem eigenen Selbstmord noch Frau, Kinder und eventuell anwesende Familienmitglieder oder Nebenbuhler tötet.

Völlig zurecht mahnt Regula Bähler dazu an, einen Blick hinter die Schlagzeilen zu werfen:

«Heute morgen wurde ein Paar im Kanton Freiburg erschossen in seiner Wohnung aufgefunden. Die Polizei schliesst ein Verbrechen aus»
Das «Drama», bei dem die Polizei davon ausgehe, dass eine der Personen zuerst die andere und dann sich selbst tötete, habe sich höchstwahrscheinlich in der vergangenen Nacht abgespielt. – So wie die gestörte Beziehung im «Ehedrama» zur Akteurin wird, gibt es beim «erweiterten Suizid» nicht einmal ein Verbrechen. Wer andere Menschen tötet und sich anschliessend selbst umbringt, begeht nach dieser Logik keine strafbare Handlung. Dies trifft rechtlich nur für den Suizid zu, der keinen Straftatbestand erfüllt, sicher aber nicht für die anderen Tötungshandlungen.

Internationaler Tag gegen Gewalt gegen Frauen

Am 25. November 2013, also vor 7 Monaten, gab es den „Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen„. Hat irgend jemand etwas davon gehört? Ich finde lediglich Berichte auf Stadtseiten, Vereinen und wenigen Lokalzeitungen. Oft wird nur von der Gewalt in Guatemala und andernorts berichtet. Der interessanteste Bericht steht im Berliner Tagesspiegel: Geschlagen, geprügelt, eingesperrt – vom eigenen Mann. Er zeigt nicht nur die Berliner Verhältnisse, sondern berichtet anschaulich vom Leiden eines Opfers, dem die Flucht gelang. Auch zeigt der Bericht die Problematik fehlender Finanzierung der Frauenhäuser.

333 mal – also nahezu jeden Tag – versuchte im Jahr 2012 ein Mann, seine (Ex)Frau oder (Ex)Freundin zu töten, 106 Mal gelang es ihm. Das sagt die Polizeiliche Kriminalstatistik, die 2011 zum ersten Mal das Ausmaß der sogenannten „Partnerschaftsgewalt“ erfasste.

Alle drei Minuten wird in Deutschland eine Frau vergewaltigt. Aber nur fünf Prozent der Taten wird angezeigt, und nur jeder siebte Täter verurteilt. Ein Grund dafür ist, dass „unser Gesetz lückenhaft ist“, erklärt die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes.   (EMMA online)

Solange die Öffentlichkeit an der Tötung oder Mißbrauch der (Ex-)Partnerin oder der Vergewaltigung von Frauen (auch in der Ehe) kein Verbrechen sieht und dieses nicht ächtet, solange können junge Männer wie der Amokläufer von gestern Abend ihren Frauenhaß pflegen, da er gesellschaftlich anerkannt ist.

Ich möchte mich hier bei allen Männern bedanken, die anders denken und ihre Partnerinnen respektieren. Zum Glück ist dies Usus in meinem Bekanntenkreis. Schön wäre es, wenn es überall so wäre.

5 Gedanken zu “Frauenhaß?

  1. Stichwort Konfliktverarbeitung/Konfliktmanagement: Da hapert es beim Menschen allgemein ziemlich. Daß Männer (physisch) gewalttätiger sind als Frauen ist eine Binsenweisheit. Neuere Forschungen zeigen aber, daß auch Frauen weit häufiger zu Gewalt greifen, als das bisher bekannt war. Die Formen der Ausübung von Gewalt sind nur anders. Wer jetzt glaubt, daß psychische Gewalt weniger schlimm ist, als physische Gewalt, der sollte sich dringend in die entsprechende Fachliteratur einlesen.

    Der Mensch ist und bleibt ein Tier, das eine sehr dünne „Zivilisationstünche“ besitzt. Viel zu oft bricht diese Schicht aus gesellschaftlichen und sozialen Konventionen und legt das frei, was darunter steckt. Und das ist das Gesicht eines recht primitiven Primaten. Aber der Mensch, der sich immer gerne als die „Krone der Schöpfung“ bezeichnet, verdrängt seine tieferliegende und schnell wieder dominant werdende Natur nur zu gerne.

    Hirn und Verstand werden weit seltener benutzt, als man das glaubt. Die meisten unserer „Denkprozesse“ finden im Bauch statt und sind emotions- und instinktgesteuert. Wir bilden uns oft ein, über unsere die meisten unserer Handlungen und unser Denken selbst zu entscheiden. Aktuelle Forschungen belegen, daß das nicht der Fall ist.

    Wenn man nicht schon als Kind lernt, mit Konflikten und Gewalt (vor allem der eigenen, inneren Triebe) umzugehen (Selbsterkenntnis bitte als Schulfach 😉 ), der endet als Täter oder als Opfer. Das was uns die rot-grünen Pseudopazifisten und Sozialpädagogen oft vorschlagen – Gewaltunterdrückung und Gewaltvermeidung um jeden Preis – funktioniert halt nicht. In Familien, in denen Gewalt ausgeübt wird (physisch oder psychisch) werden diese Muster generationenlang weitergetragen und belasten Familie und Umfeld.

    Es gibt längst andere Lösungsansätze, die sind aber in den Köpfen der Sozial- und Erziehungswissenschaftler noch nicht angekommen, die lieber weiter eine Ideologie verbreiten, die sich in fortgeschritteneren Kreisen längst als weitgehend falsch herausgestellt hat.

    Gegenseitiger Respekt und Rücksichtnahme entsteht nicht, indem man blinde, pauschale Gleichmacherei betreibt, sondern indem man gezielt auf die individuellen Unterschiede eingeht und damit arbeitet. Das funktioniert nicht auf von oben verordneter, institutioneller Ebene. Der Grundstein muß in der Familie gelegt werden. Das klappt aber nicht, wenn viele der heutigen Familien bereits disfunktional sind. Ein Teufelskreis mit einer hochkomplexen Problematik.

    Kommt es nur mir so vor, oder sind die Leute heutzutage wirklich viel rücksichtsloser, ichbezogener und egoistischer als früher? Wenn es „früher“ eine Rauferei auf dem Schulhof gab (Kinder müssen auch mal raufen und Grenzen austesten), dann war Schluß, sobald einer der Kontrahenten auf dem Boden lag. Heute wird auf Kopf und Oberkörper noch kräftig nachgetreten. Das gab es früher nicht. Es wahr ehrlos, auf ein wehrloses Opfer einzutreten. Aber „Ehre“ hat ja in unserer Gesellschaft inzwischen eine eher negative Bedeutung.

    Der „Ehrbegriff“ von Ehrenmördern und der Ehrbegriff der im 3. Reich kursierte – beides völlig dumme abwegige Formen von „Ehre“ (nach unserer heutigen Auffassung) – stehen dem entgegen.

    Der Humanismus hat noch viel zu tun …

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  2. Zitat:
    )) Kommt es nur mir so vor, oder sind die Leute heutzutage wirklich viel rücksichtsloser, ichbezogener und egoistischer als früher? ((

    Nur schnell was dazu. heute sind die Leute eher ruhiger und weniger Aggressiv, ausser natürlich die aus gewissen Kulturkreisen.

    Ich bin auf dem Bauernhof aufgewachsen und ich kenne noch die Geschichten die mir mein Grossvater erzählte. Er war schon alt und Arbeiten konnte er nicht mehr, aber uns kleinen Geschichten erzählen, das ging wunderbar.

    Es gibt da viele die ich erzählen könnte, aber aus all dem was ich weiss, war es früher viel einfacher, grober und die Folgen nahm man leichter in kauf. Und die Gesellschaft war anders, man ging sehr sehr lange nicht zur Polizei, da waren die hemmjungen stark ausgeprägt.

    Man schlug sich die Köpfe ein, und trug die Folgen selber. War man wider gesund versuchte man halt auszugleichen. Gewalt war weit verbreitet, aber sie wurde kaum je bekannt. Zeitungen berichtete fast nur Regional, und Polizeistatistiken waren in Büchern von Hand abgefasst. Kaum eine Zeitung hatte zugriff auf Informationen zu was, wie viel oder wie begangen.

    Als eines der Beispiele aus meiner eigenen Familie. Mein einer Grossvater stammte aus einer Familie mit 14 Kindern, davon 12 Jungen.

    Er war kaum 20 und fuhr in einen ca. 15 Kilometer weit entfernten Kantonshauptort zu „Stoätä“. Nun ja, er war recht früh tüchtig und hatte schon einen eigenen Wagen, das heisst natürlich eine Kutsche samt Pferden. Wir befinden uns gerade im Jahre 1910. In dem Ort gabs also eine „Stoätä“ …. einen Tanzanlass und da natürlich viele junge fesche Mädchen. Mein Grossvater war nun aber besonders wohl gelitten, denn er hatte was vorzuweisen, einen eigenen Wagen. Und so kam man mit den feschen Mädels eben gut ins einvernehmen was dann die Einheimischen sehr verärgerte, …..es war ihr Revier.

    Sie wagten es aber nicht im offener Konfrontation, also fragten sie herum woher den der Fremde sei. Nachdem sie es erfahren hatten, machten sie sich auf den Heimweg und wartete so gegen 2 Uhr Morgens auf meinen Grossvater. Auf dem Heimweg musste er durch einen Wald mit einer Steigung und da er dort langsamer wurde war es der ideale Platz für das zurechtsetzen des Fremden.

    Irgendwann kam er dann und es gab eine veritable Rauferei im Masstab von 3 zu 1.
    In deren Verlauf zückte einer sein Taschenmesser und stach etliche male zu, es traf meinen Grossvater in der Lenden und Bauchgegend.

    Tja, da wurde denen wohl doch mulmig zumute und sie machten sich davon.

    Mein Grossvater kroch auf den Wagen und fuhr nach Hause. Dort wurde am Morgen denn der Arzt geholt und der versorgte die Stichverletzungen. Die waren Gottseidank nicht so tief das Taschenmesser war nicht lang. Ins Krankenhaus wollte er nicht gehen, denn dann wäre die Polizei gekommen. Nein man blieb zu Hause und kurierte das aus, der Arzt kam jeden Tag mal vorbei uns schaute zum rechten.

    Nun ja, es waren wie gesagt 12 Brüder. Die gingen bei der nächsten Stobätä alle zusammen und zerlegten die anwesenden samt einem Teil des Mobiliars.

    Kostenpunkt 1910 ……………. 500 Franken. Ein guter Pferdeknecht verdiente so um die 20 Franken samt Kost und Logis.

    Also solche Dinge waren in keinster Weise selten, auch Wilderei und dergleichen war häufig, aber die Polizei spielte dabei oft nur eine Nebenrolle.
    Heute aber, da sind wir normalen Bürger hier stark in die Gesellschaft und die einrahmenden Gesetze eingebunden, und werden nun mit Migranten konfrontiert die aus Gesellschaften kommen wie wir sie vor 100 Jahren so ähnlich auch hatten. Nur kennen die aus vielerlei Gründen kaum noch die Hemmungen bis zum „Ende“ weiterzumachen.

    Der Unterschied ist das Tottreten, das ganz bewusste Tottreten.

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  3. Ich habe mich heute nochmal in das Thema eingelesen und Erstaunliches gefunden:

    Während jüngere Frauen stärker unter Gewalt vom Partner leiden, wenn beide Partner niedrige oder keine Bildungsabschlüsse haben, ändert das sich ab 45 Jahre.

    Männer ab 45 Jahren mit höchsten Schul- und Ausbildungsabschlüssen verübten häufiger Gewalt als Männer mit mittleren Schulabschlüssen, insbesondere wenn die Partnerin einen gleichwertigen oder höheren Schul-/Ausbildungsabschluss hat. Dies gilt auch für Partnerinnen ab 45 Jahre, die eigenes Geld verdienen (u.a. durch Trennung/Scheidung bedingt.)

    Zwischenfazit der Studie „Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen„:

    In Bezug auf geschlechtsspezifische Macht- und Rollenverteilungen zeigen die Untersuchungsergebnisse auf, dass beides – sowohl eine extrem ungleiche Macht-, Aufgaben- und Rollenteilung zuungunsten der Frauen, wie sie traditionelle Geschlechterverhältnisse prägen, als auch deren Auflösung und die Angleichung der Geschlechterverhältnisse altersgruppen- und milieuspezifisch Gewalt in Paarbeziehungen begünstigen kann.

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  4. Sehr geehrter Faru Triebel,

    das artikelursächliche Delikt passt vermutlich nur schlecht in´die heir erklärten gesellschaftlichen Mißstande.
    Nach den bekannt gewordenen Inhalten des „Abschiedsbriefes“ handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine stark psychisch kranke Täterpersönlichkeit die den Wahnvorstellungen eine Tim K. ziemlich nahe kam.
    Kurz: Wir wissen weder ob der Täter wirklich noch „Jungfrau“ war, noch ob er sich die Masse der Zurückweisungen und Demütigungen nicht doch ausschließlich aus seiner wahnhagten Umweltwahrnehmung herbeihalluziniert hat!
    Es spricht sehr viel dafür, dass hier wiedermal ein stark deviant strukturierter Täter nicht rechtzeitig erkannt und in die geschlossene Forensik befördert wurde.
    Beurteilungskriterien für solche Maßnahmen nach einer „leaking“ Phase wie dem Video, kann man bei den kriminologischen „Amok“ Forschungen von Bannenberg usw. nachlesen.

    Peter

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  5. Seit wann sieht die Öffentlichkeit an der Tötung von Ehefrauen oder Partnerinnen kein Verbrechen? Das wäre mir völlig neu.

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