Der Spiegel schrieb heute:
Messerattacke auf dem Oktoberfest: Millionärsfreundin scheitert mit Revision
Weil ein Wiesn-Gast sie rassistisch beleidigte, stach Melanie Meier mit einem Messer auf ihn ein. Ein Gericht verhängte für die Tat viereinhalb Jahre Haft. Nun hat der BGH das Urteil bestätigt.
Warum werden Frauen, die im Affekt handeln – hier womöglich sogar unter Alkohol – immer wieder härter bestraft als Männer?
Mordversuch hatte die Staatsanwaltschaft gefordert, was Heimtücke und einen Plan voraussetzt.
Wie man an den nächsten Fällen sehen kann, kommen Männer, die im Streit Kollegen, Ex-Vorgesetzte, Ex-Verlobte, Konzertbesucher oder gar nur beim Nachbarschaftsstreit andere Menschen lebensgefährlich verletzten, mit Bewährungsstrafen wegen fahrlässiger Körperverletzung davon.
Mir ist dieser Unterschied schon 2011 bei Lörrach und Plochingen aufgefallen: Bestimmt das Geschlecht, die Tatwaffe und das Bundesland die Schlagzeilen?
Zum Vorfall auf dem Oktoberfest noch einige Details:
Die Tat geschah 2015 im Käfer-Zelt auf der Wiesn. Meiers Lebensgefährte, der reiche Hamburger Immobilienkaufmann Detlef Fischer, hatte eingeladen. Unter den Gästen war auch der frühere Fußballprofi Patrick Owomoyela. Als dieser von zwei Männern rassistisch beleidigt wurde, kam es zu einem unübersichtlichen Gedränge. In der aufgeladenen Atmosphäre stach Meier einem der Pöbler mit einem Klappmesser in die Seite. …
Die Staatsanwaltschaft hatte ihr zunächst versuchten Mord vorgeworfen, das aber in ihrem Plädoyer abgeschwächt und fünf Jahre Haft gefordert.
Der SPIEGEL
Meine Google Suche nach „Messer, lebensgefährlich, Bewährung“ hat folgendes ergeben:
Bewährungsstrafe für angeklagten Lkw-Fahrer, der einen Kollegen auf dem Rasthof „Zweidorfer Holz Nord“ mit einem Küchenmesser lebensgefährlich verletzt hatte.
Bewährung für Messerattacke auf Vorgesetzten. Im Oktober 2016 hatte der Angeklagte seinem ehemaligen Vorgesetzten ein Messer in den Rücken gerammt und ihn lebensgefährlich verletzt.
Bewährungsstrafe für Messer-Attacke nach Konzert. Mann sticht Provokateur beim Stimmen-Konzert auf dem Marktplatz nieder. Viel Alkohol im Spiel. Streit unter mehreren Männern.
Eineinhalb Jahre auf Bewährung für lebensgefährlichen Messerstich.“Ich hatte keinen Bock auf Stress, aber dann ist es einfach passiert, ich habe zugestochen, leider“, sagte der Angeklagte.
Nach Messerattacke: Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Der 27-jährige Nordafrikaner hatte bei einem Streit in einer Freudenberger Asylunterkunft einen 22-jährigen Mitbewohner mit einem Messer lebensgefährlich verletzt.
Bewährungsstrafe für Messerattacke auf Verlobte. Der Verkäufer hatte im Mai dieses Jahres im Raum Pfaffenhofen seine Verlobte im Streit mit einem Messer attackiert und lebensgefährlich verletzt – vor den Augen der dreijährigen, gemeinsamen Tochter.
Bestimmt Geschlecht, Tatwaffe und Bundesland die Schlagzeilen?
Mir ist dieser Unterschied schon 2011 bei Lörrach und Plochingen aufgefallen und hatte dazu einen Artikel geschrieben, der damals bei prolegal veröffentlicht wurde: Bestimmt das Geschlecht, die Tatwaffe und das Bundesland die Schlagzeilen?
Damals wurde mir von einigen Verbänden vorgeworfen, dass der Artikel negativ für Waffenbesitzer wäre, da ich es mir erlaubt hatte, über Missbrauch zu schreiben.
Ihr könnt hier selber lesen, ob der Vorwurf zutrifft:
Bestimmt das Geschlecht, die Tatwaffe und das Bundesland die Schlagzeilen?
Lörrach und Plochingen sind nicht die ersten Fälle seit Winnenden, bei denen Menschen durch Schusswaffen den Tod gefunden haben. Aber in beiden Fällen waren die „schwachen“ Frauen die Ausführenden. In beiden Fällen begann das Geschrei nach neuen Waffenverboten.
Somit stellt sich die Frage nach dem Warum?
- Weil die anderen Schusswaffentäter Männer waren?
- Weil die anderen Schusswaffen illegal waren?
- Weil bei Schusswaffenmorden in Baden-Württemberg sofort Herr Schober vom Aktionsbündnis Winnenden seine „Hilfe“ anbietet?
Kein Medium kam am ersten Tag auf den Gedanken, dass es vielleicht einen Streit gegeben haben könnte, die Frau vielleicht ihre Kinder vor dem Vater hat schützen wollen. Es gab nicht den leisesten Zweifel: Die Frau war Täter, der Mann war Opfer, das Tatmittel eine Waffe.
Ich hatte jedoch am 23. Januar Zweifel. Als Mutter kann ich mir nicht vorstellen, vor den Augen meiner Kinder irgendjemanden Gewalt an zu tun. Ich kann mir jedoch sehr gut vorstellen, meine Jungen – wie eine Tigerin – gegen jeden und auch mit allen Mitteln zu schützen. Eine Schusswaffe besitzt ein außerordentliches Drohpotential. Jeder vernünftige Mensch hört mit seinem Tun auf, wenn eine Schusswaffe auf ihn gerichtet ist, insbesondere wenn sie geladen ist. Sicherlich auch der gewalttätige Ehemann. Das waren meine Gedanken, als ich die Nachricht las.
Warum glaubte der Vater, dass die Frau ihre Drohung der Schussabgabe nicht wahr machen würde? Weil sich die Kinder im Raum befanden? Weil sich die Frau noch nie gewehrt hatte?
Diese Zweifel waren berechtigt. Die Pressemitteilung der Polizei Esslingen vom 24.01.11 hatte eine ganz andere Schlagzeile als Focus und Bild:
Streit zwischen Vater und Söhnen ging Familiendrama in Plochingen voraus
Ein Streit zwischen dem Vater und den Söhnen ging dem Familiendrama am Sonntagvormittag in einem Einfamilienhaus im Grieshaberweg in Plochingen voraus. Die 41-jährige Frau erschoss vermutlich aus Angst um ihre Kinder ihren 47-jährigen Ehemann.
Naiv ging ich davon aus, dass diese Pressemitteilung in den nächsten Zeitungsmeldungen das Bild der Mutter anders darstellen würde. Doch wurde ich nur beim Stuttgart-Journal fündig:
Aus Angst um die Kinder: Familiendrama von Plochingen:
Vater bedrohte 2-jähriges Kind
Familiendrama von Plochingen: Vater bedrohte 2-Jähriges – Ein Streit zwischen dem Vater und den Söhnen ging dem Familiendrama am Sonntagvormittag in einem Einfamilienhaus im Grieshaberweg in Plochingen voraus. Die 41-jährige Frau erschoss vermutlich aus Angst um ihre Kinder ihren 47-jährigen Ehemann.
Was zeigen uns die Schlagzeilen: Killer-Schützin, Todesschützin, Todesschüsse?
Lörrach und Plochingen sind nicht die ersten Fälle seit Winnenden, bei denen Menschen durch Schusswaffen den Tod gefunden haben. Aber in beiden Fällen waren die „schwachen“ Frauen die Ausführenden. In beiden Fällen begann das Geschrei nach neuen Waffenverboten.
Warum?
- Weil die anderen Schusswaffentäter Männer waren?
- Weil die anderen Schusswaffen illegal waren?
- Weil bei Schusswaffenmorde in Baden-Württemberg sofort Herr Schober vom Aktionsbündnis Winnenden seine „Hilfe“ anbietet?
Wo ist der Zusammenhang zu Winnenden und Lörrach?
In einigen baden-württembergischen Zeitungen wurde sofort ein Zusammenhang dieser Tat mit Lörrach und Winnenden dargestellt. Doch Lörrach war ein sogenannter „erweiterter Suizid“. Diese Bezeichnung benutzen die Medien, wenn ein Täter seine Familie und sich selbst auslöscht. Winnenden war ebenfalls ein „erweiterter Suizid“, der jedoch nicht Familienangehörige, sondern fremde Personen mit einschloss. Dies bezeichnen die Medien als „Amoklauf“. Obwohl per Definition ein Amoklauf eine ungeplante Berserkertat im Affekt ist, während Winnenden und Erfurt und auch die Morde in Finnland zum Teil bis zu sechs Jahren im Voraus geplant waren. Die Tat in Plochingen hat keinen Suizid der Frau ausgelöst. Sie hat ihre Kinder, direkt nach der Tat, in die beste denkbare Obhut gebracht, bevor sie sich der Polizei stellte: zu ihren Eltern.
Was fällt uns auf?
Die einzige Meldung, die es in allen drei Medien als Familientragödie „geschafft“ hat, ist die Meldung aus Sinnsheim. Alle Täter waren Männer. Z.T. wurden legale Schusswaffen benutzt, z.T. war die Herkunft zur Zeit der Meldung nicht bekannt. Keine der Meldungen wurden von Waffenverboten verfolgt, obwohl Sinnsheim in Baden-Württemberg liegt.
Warum haben die anderen Todesschützen keine Waffenverbotsforderungen ausgelöst?
Waffenverbote wurden nur nach Winnenden (Amoklauf in Baden-Württemberg), Lörrach („erweiterter Suizid“ mit Fremdverbrechen in Baden-Württemberg) und Plochingen („häusliche Gewalt“ in Baden-Württemberg) in den Medien eingefordert. Sinsheim erforderte drei Tote, somit zwei mehr als Plochingen oder einen weniger als Lörrach. Doch Sinsheim war ein Beziehungsdrama, kein Amoklauf und auch kein Mord. So beschreiben es die Medien.
Doch was denke ich? In Sinsheim und in den anderen oben erwähnten Orten hat sich ein Mann angemaßt, über das Leben seiner Familie zu bestimmen. Wir – in Deutschland – regen uns über Ehrenmorde auf, doch tolerieren wir anscheinend dieselben, sofern ein Familienvater seine komplette Familie, manchmal nebst Schwägerin und Freundin, auslöscht. Natürlich hat diese Toleranz ein Ende, sofern eine Familienmutter die Auslöschung der Familie bestimmt (Lörrach) oder den Ehemann erschießt (Plochingen).
Warum sind Tötungen von Männern Beziehungsdramen oder Familientragödien, während bei Tötungen von Frauenhand Killer- und Todesschützinnen am Werk waren?
Die meisten Medien arbeiten mit Freelancern. D.h. die Journalisten sind nicht fest angestellt, sondern bekommen ihr Einkommen über gekaufte Artikel. „Sex sells“ und Mord verkauft sich ebenfalls gut. Schlagzeilen, die interessant sind, werden eher eingekauft als neutral wissenschaftliche Artikel. Frauen töten seltener als Männer. Daher lässt sich ein Artikel über eine Täterin immer besser verkaufen.
Ohne wissenschaftlich an die Problematik heranzugehen, drängt sich der folgende Verdacht auf:
- Frauen morden seltener
- Mordende Frauen haben einen hohen medialen Wert
- Morde an Ehefrauen sind keine Schlagzeile wert
- Morde an Ehefrauen werden hinter den Wörtern Familientragödie und Familiendrama versteckt
Beim Mord gibt es einen schuldigen Täter. Bei Dramen und Tragödien gibt es mehrere Akteure.
Allein durch die Wortwahl werden Gewaltdelikte im „sozialen Nahbereich“ verharmlost.
Diese Ansicht vertritt auch Regula Bähler, Rechtsanwältin in Zürich und Dozentin für Gerichts-berichterstattung am Medienausbildungszentrum MAZ Luzern, in ihrem am 27.01.11 erschienenen lesenswerten Artikel: «Beziehungsdramen» – ein Blick hinter die Schlagzeilen
Seitdem ich 1992 von der Zeitschrift EMMA auf diese Diskrepanz in der Berichterstattung aufmerksam geworden bin, denke ich immer an Mord, wenn ich das Wort Familiendrama lese. Allein schon dieser – automatische – Gedanke lässt jeden Artikel in einem anderen Licht erscheinen.
Dieser Artikel von mir wurde 2011 bei prolegal veröffentlicht
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Off-Topic aber aktuell.
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Schweizer Umsetzung des EU-Gunbans………
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Wie ich meinen Schweizer Kollegen seit langem predige, unser Bundesrat, explizit aber die Linke Bundesrätin Sommaruga, welche für die Umsetzung des EU-Gunbans zuständig ist, zerbricht sich gerade den Kopf darüber, wie man ein Referendum gegen den EU-Gunban verhindern könnte.
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Dazu versuchen die den Schweizer Schützenverband, den SSV mit über 130-tausend Mitgliedern, von den übrigen Waffenbesitzern zu Separieren. Man gedenkt den Schützen ein Zuckerchen zu geben und hofft das diese den Aufwand fürs Referendum dann scheuen würden.
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Der SSV hat alleine genug Mitglieder um ein Referendum zu erzwingen, dazu braucht es 50-tausend Unterschriften ……und das Gesetz kommt vors Volk.
Damit könnte dieser Urnengang auch zu einem Referendum über die Schengen-Mitgliedschaft werden, ja die Meinung des Volkes zur EU symbolisieren.
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Ich selber glaube aber nicht das die EU uns deswegen aus Schengen drängen würde, denn die EU steht an allen Fronten unter Druck. Sie ist Finanziell am Ende und wegen der Flüchtlingsfrage könnte es in Polen, der Tschechei, Slowakei und Ungarn zu einem deutlichen Meinungsumschwung gegen die EU kommen. Austritte aus der EU könnten sich häufen.
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Aber natürlich spielt unser Bundesrat gerne mit den Ängsten der Leute die da denken …..es brächte uns wirtschaftlichen Schaden, Schengen zu verlieren.
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Blödsinn.
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Bislang fahren alle Verbände die mit dem Schiesssport zu tun haben, eine strikte NULL-TOLLERANZ Kampagne. Der SSV, Pro-Tell usw. Sogar die Jäger scheinen den Ernst der Lage verstanden zu haben.
Es werden also keinerlei Verschärfungen akzeptiert.
Jede Verschärfung führt sofort zum Referendum und ein vom Volk gutgeheissenes Referendum führt ebenso sofort zur vollständigen Beerdigung der EU-Gesetzes.
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Sorry…………
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Hab den Link vergessen.
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https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-67075.html
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Bei solchen Möglichkeiten, kann man wirklich neidisch werden!
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