Reichsbürger – ein aufgebauschtes Problem?

Im November 2016 ging die Landesregierung noch von 200 bis 300 Personen in NRW aus. Medienberichten zufolge liegt die Zahl heute bei 2000 Personen in NRW.  Die Grünen haben beim Landtag NRW nachgefragt und Antwort erhalten: Drucksache 17/259 

Der Landtag stimmt zu, dass es 2000 Reichsbürger und Selbstverwalter in NRW und 12.600 bundesweit gäbe und listet die aktiven Gruppen in NRW auf. Die ersten beiden scheinen sich nur gegründet zu haben, um als Betrüger Geld zu machen. Zwei weitere Gruppen versuchen die Verwaltung mit Anträgen lahm zu legen. Eine Mini-Gruppe vertreibt aus wirtschaftlichen Gründen „Reichsbürgerdokumente“. Und zwei überregionale Gruppen veranstalten Stammtische und Publikationen. Eine davon (Freistaat Preußen) versuchte, eine bewaffnete Bürgerwehr aufzustellen.

Allen Gruppen in NRW gemein sind sehr niedrige Mitgliedszahlen, eine hohe Fluktuation und keine Verbindung zu Rechtsextremisten. 

Im ersten Halbjahr 2017 konnte die Polizei 20 Fälle der PMK (Politisch Motivierte Kriminalität) ausmachen,  bei denen der Verdacht besteht, „den sogenannten „Reichsbürgern“ anzugehören oder zumindest die dort verbreitete Ideologie zu vertreten.“ Der Landtag fand in NRW „keine Hinweise auf strukturelle Verbindungen zwischen Reichsbürgergruppierungen und rechtsextremistischen Organisationen“. Aber bei 143 Besitzern von Waffenbesitzkarten (WBKs) fand man „Hinweise auf eine Nähe zur Reichsbürger- bzw. Selbstverwalterideologie„.


Die 20 Fälle im ersten Halbjahr in NRW werden in der Anlage zur Drucksache aufgelistet:

  • 6 Nötigungen
  • 4 Beleidigungen
  • 1 Vorsätzliche einfache Körperverletzung
  • 1 Bedrohung
  • 2 Urkundenfälschungen
  • 2 Volksverhetzungen
  • 1 Straftat gegen das Bundesdatenschutzgesetz
  • 1 Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
  • 1 Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes
  • 1 Versammlungsgesetz

Vergleichen wir oben genannte Straftaten mit denen der Tierrechtler-Szene. Dort wird in Ställe eingebrochen, Ställe angezündet, Tierhaltern mit Mord gedroht, Tiere freigelassen, unangemeldete Demos vor Zirkussen, Ställen oder Zoos abgehalten, Tierhalter und deren Kinder bedroht, Gemeinschaftsjagden gestört, gegen Jäger, Fischer, Bauern gehetzt und Anzeigen gegen Tierhalter gestellt, die die Gerichte und Verwaltungen lähmen. Die organisierte Tierrechts-Szene weist eindeutig Überschneidungen mit organisierten Rechtsextremisten auf, wie ich bereits hier im Blog ausführte (Link).

Es wäre daher mal an der Zeit, eine Kleine Anfrage in NRW zur Tierrechts-Szene zu stellen und dann beide Szenen zu vergleichen.

In Niedersachsen hatte eine Kleine Anfrage ergeben, dass von 2009 bis 2015 militante Tierschützer vier Brandstiftungen mit 1 Mio. Gesamtschaden, sowie 668 Stalleinbrüche mit einer Schadenssumme von 1,3 Mio. begangen haben.

Der große Unterschied zwischen beiden Szenen ist m.E. die „Political Correctness“ und der private Waffenbesitz.

Political Correctness

NABU und BUND, Staatsanwälte, Politiker und Journalisten unterstützen die Tierrechtler. Kein Mensch wirft ihnen Volksverhetzung vor, wenn diese Jäger und Fischer als Mörder titulieren. Staatsanwälte beschlagnahmen unberechtigt Tiere aufgrund von deren Anzeigen, aber kaum ein Tierhalter wehrt sich mit Strafanzeigen gegen diese vor Gericht. Seit 2013 fokussieren sich die Grünen, unterstützt von NABU, BUND, PETA  u.v.a., auf die Jagd und Tierhaltung (Bauern, Exoten, Zirkus, Zoo). Seit 2014 hetzen die Medien gegen Bauern und Tierärzte – unterstützt von vielen NGOs wie animal health, BUND, virtuelles Wasser u.v.a.. Aktuell wird vom STERN gegen die Landwirtschaftsministerin NRW gehetzt mit Medienberichten, die illegale Stalleinbrüche zeigen. Der Vorwurf erschien in allen überregionalen Medien. Über die Entkräftung berichten nur BILD, die Fachpresse und die lokalen Medien.

Während es „politisch korrekt“ ist, mit dubiosen Tierrechtlern wie z.B. PETA zu paktieren, ist die Nähe zur Reichsbürger-Szene ein No-Go. Dies musste die „esoterisch veranlagte“ Allgäuer Bürgermeisterin erfahren.

Die 56-jährige Bürgermeisterin von Bolsterlang im Oberallgäu und mehrere Gemeinderäte stehen unter dem Verdacht, mit der „Reichsbürger“-Bewegung zu sympathisieren. Nach jüngsten Erkenntnissen hat Zeller aber nicht nur einen „Reichsbürger“-Referenten in den Gemeindesaal eingeladen, sondern auch an einem Kongress der verfassungsfeindlichen Bewegung teilgenommen. Bei der Landesanwaltschaft läuft ein Disziplinarverfahren gegen Monika Zeller.

… Der Oberallgäuer CSU-Kreisvorsitzende und Bürgermeister von Altusried, Joachim Konrad, war schier „von den Socken“, als er von den Vorwürfen gegen seine Kreistagskollegin hörte. Sie habe nie eine Bemerkung gemacht, die „Reichsbürger“-Tendenzen hätten erkennen lassen. „Da war nix“, sagt Konrad, weshalb er nach wie vor „ein Gefühl der Ungläubigkeit“ verspüre.

… Das Gerücht über drohende Enteignungen machte im gesamten Allgäu die Runde. Allein beim Landratsamt in Sonthofen und der kreisfreien Stadt Kempten beantragten im vergangenen Jahr 120 Bürger gelbe Scheine.

SZ vom 17. April 2017: „Reichsbürger“-Verdacht

Privater Waffenbesitz

Da die Tierrechts-Szene sich zumeist aus dem linksradikalen Milleu bildet, ist es unwahrscheinlich, dass deren Akteure Waffenbesitzkarten besitzen, da sie bereits öfters mit Gewalttaten aufgefallen sind und meist den Staat ablehnen.

Die Reichsbürger hingegen stammen meist aus dem eher konservativen Milleu und wurden (oft im zunehmenden Alter und wegen sozialer Abstufung zum Hartz-4-Empfänger) zum Staatskritiker/-verweigerer. Deren Waffenbesitz stammt meist aus ihrer aktiven Zeit als Berufstätige. Und natürlich gibt es noch viele andere anständige Bürger, die den kruden Thesen der Reichsbürger/Selbstverwalter auf den Leim gehen. Sonst gäbe es ja aktuell nicht solch einen Zulauf.

Daraus aber eine drohende „Terrorgefahr“ zu machen, wie das BKA-Papier es verlauten lässt, ist m.E. ein aufgebauschtes Problem. Während es scheinbar keine Überschneidung zwischen der „Reichsbürgerbewegung“ und deren Gruppen mit Rechtsextremismus gibt, gibt es wohl Überschneidungen einiger Bürger. So sollen in Sachsen 10% der Reichsbürger auch Rechtsextremisten sein. Hier sollte die Polizei versuchen, ihren Verdacht zu erhärten. Aber doch nicht bei jedem Inhaber eines „Gelbe Scheins“.

WBK-Entzug

In allen Bundesländern werden nun die waffenrechtlichen Erlaubnisse überprüft und größtenteils entzogen, wie z.B. in Bayern.

[D]as bayerische Innenministerium hatte am Montag aktuelle Zahlen zur Reichsbürgerszene vorgelegt. Demnach gehören in Bayern den „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ rund 3000 Menschen an; in 1900 weiteren Fällen wird dies noch überprüft. Auch in Bayern liegt ein Schwerpunkt der Beobachtung auf dem Waffenbesitz. 235 Waffenbesitzer wurden demnach bislang eindeutig der Reichsbürgerszene zugeordnet, in 138 Fällen wurden die Erlaubnisse bereits widerrufen.

FAZ vom 01.08.2017: Mehr als 700 Reichsbürger in Sachsen

Der Besitz oder Antrag auf einen „Gelben Schein“ ist keine Straftat und rechtfertigt daher auch nicht die Aktionen der bayrischen Polizei, WBK-Besitzer deswegen zu entwaffnen.

Zu den o.g. eindeutig bestimmten Reichsbürgern gehören auch diese beide Landwirte, über die der Merkur berichtete, die lediglich so einen Schein haben.

Mehrere Polizeifahrzeuge, schwer bewaffnete Beamte, viel Nachdruck. So rückt das Landratsamt zu Kontrollen bei Menschen an, die es für Reichsbürger hält. Das waren zum Beispiel die Landwirte Martin Beilhack und Regina Mayer. Beilhack spricht von Rufmord.

Merkur vom 15.02.2017: Reichsbürger-Kontrollen: „Das ist doch Rufmord“

Die Landwirtin Mayer steht unter Reichsbürger-Verdacht, ihre WBK wurde widerrufen, sie wehrt sich dagegen mit einem Anwalt.

„Dass es Reichsbürger gibt, weiß ich nur aus Zeitung und Fernsehen.“ Natürlich erkenne sie den Staat an, habe einen Personalausweis, zahle Strafzettel und Rundfunkgebühren. Weil „das ja nicht schaden kann“, hat Mayer auch einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt, den „Gelben Schein“.

Der Landwirt Beilhack hat einen Hof in Warngau, war Gemeinderat, Kreisrat und ist Hauptmann der Waakirchner Gebirgsschützen. „Ich bin ein Patriot durch und durch“, erklärt er. „Aber mit Reichsbürgern habe ich nichts zu tun.“ Auch er hat einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt, nach der Urfassung von 1913.
… Er durfte seine Waffen übrigens behalten.

Nach dem Vorfall in Georgensgmünd, bei dem ein aktiver Reichsbürger sich gegen die Beschlagnahmung seiner Waffen mit Schusswaffengewalt wehrte und dabei einen Polizisten tötete, ist dieser Einzelfall jetzt zu einer generellen Feststellung geworden:

„Alle Reichsbürger gelten als waffenrechtlich unzuverlässig“,

entschied das VW Cottbus und das zuständige OVW Berlin-Brandenburg ließ keine Berufung zu. Auch wenn man sich im Nachhinein distanziert, wird beschlagnahmt – wie hier in Bayern – auch wenn man der Bewegung nur „im Geiste folgt“.

„Die Indizien sprechen dafür, dass Sie ein Reichsbürger sind – zumindest im Geiste: Sie stellen Ihre Nationalität infrage, haben vom Gerichtsvollzieher einen Schadenersatz in Form von Feinunzen Gold verlangt und erkennen den Rundfunkvertrag nicht an“, sagte die Richterin.

… Der Kläger, der sich erneut von der Reichsbürger-Szene distanzierte, sieht sich als Opfer. Er habe noch nie etwas Unrechtes getan, beteuerte er, während er mit den Tränen kämpfte. Das Gericht wies die Klagen ab. Waffen und Lizenz erhält er nicht zurück.

AA vom 5.8.17: Mutmaßlicher Reichsbürger muss 35 Waffen abgeben

Mein Fazit

Die Reichsbürger-Szene hat wegen der „Lückenpresse“ und der gestreuten Gerüchte um Enteignung Zulauf – insbesondere auf dem Land. Würden sich die Systemmedien mit der Kritik der „kleinen Leute“ befassen, dann gäbe es weniger Leute, die diesen Themen auf dem Leim gingen. Das Problem ist daher hausgemacht und könnte mit Talk-Shows gelöst werden. Aber das ist ja gar nicht gewollt. Man benötigt ja „Sündenböcke“ zur Ablenkung der eigentlichen Terrorgefahr. NPD-Mitglieder, Rocker und Reichsbürger sind dazu bestens geeignet, insbesondere wenn sie privat Waffen besitzen.

Ich dachte, wir sind gegen „Generalverdacht“! Wir beschuldigen ja auch nicht jeden hier eingebürgerten Moslem, ein Terrorist zu sein und wollen ihm deswegen die WBK abnehmen, weil er sich radikalisieren könnte. Doch die Gerichte sehen das anders, hier reicht ein Einzelfall in Georgensgmünd.

Wenn zwei das Gleiche tun, ist es vor Gericht noch lange nicht das Gleiche!

Update 2018:

Verwaltungsgericht Arnsberg entscheidet zugunsten eines Sportschützen und angeblichen Reichsbürgers

Jägern und Sportschützen, denen vorgeworfen wird, Reichsbürger zu sein, ist dringend zu empfehlen, sich von einem auf Jagd- und Waffenrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen. Nicht selten sind die erhobenen Vorwürfe gerichtlich nicht haltbar.

 

6 Gedanken zu “Reichsbürger – ein aufgebauschtes Problem?

  1. Wehrte Frau Triebel,

    Bei den „Schandtaten“ der Tierrechts-Szene haben Sie folgendes vergessen :
    das militante Tierschützer Hochsitze zerstören oder manipulieren und damit
    billigend im Kauf nehmen das sich Personen (müssen noch nicht mal Jäger sein)
    sich schwer verletzen oder sogar sterben können. Ganz abgesehen von zerstörten Autos
    der Jäger und Treiber.
    DA wäre mal eine kleine Anfrage fällig…

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  2. Es geht natürlich um Instrumentalisierung einer kleine Gruppe von Spinnern, hier halt mal gerade gut genug um das Waffenrecht weiter kaputt zu machen.

    Krank und pervers aber ein Lehrbeispiel für Missbrauch der Rechtsordnung durch die politischen Parteien.

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  3. Guten Tag Frau Triebel.
    Vielen Dank für den super Artikel.
    Einer der ehemals betroffenen.
    Sache VG Gera von 16.09.15

    LG

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  4. Müller und Co……………….

    Ich bin Schweizer.
    ich habe die Sache mit den Reichsbürgern mit einem gewissen belustigten Interesse beobachtet und muss festhalten, ……dass eigentlich alle Deutschen Reichsbürger sind.
    Denn die Rechtssituation, das Gewohnheitsrecht und das Völkerrecht lassen streng nach Rechts-Wissenschaftlichen oder Rechts-Theoretisch vierfach angewendeten Grundsätzen keinen anderen Schluss zu.
    Aber natürlich, die Realität ist eine ganz andere, und wenn alle die Realität anerkennen ist das ein Fakt und Interpretationsspielraum muss es ja auch geben.

    Die Deutsche Regierung müsste eine saubere Rechtsstaatlichkeit herstellen, aber daran hat niemand ein Interesse. Man will alte Versäumnisse nicht ausgraben nur um sich weitere Probleme zu schaffen.

    Genauso wenig wie man ein Interesse hat endlich den Rechtsstaat in Sachen illegaler Migration durchzusetzen oder besser, ihn wieder herzustellen.
    Deutschland reagiert jedoch derart empfindlich auf ein paar „Reichsbürger“, weil der Staat sich bewusst ist, dass diese Rechtstheoretisch vor einem Karlsruher Gericht durchaus Recht bekommen könnten, würden die dortigen Büttel der Regierung effektiv neutral Urteilen, ja faktisch damit die Entstehung des Grundgesetzes in Frage stellen.
    Aber Karlsruhe ist schon lange nicht mehr Unabhängig.

    Waffenbesitzkarten zu entziehen weil man Reichsbürger ist oder daran glaubt einer zu sein, müsste eine Waffenbesitzkarte ……für jeden an den Islam glaubenden, automatisch ausschliessen.
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    Aber eben, in Deutschland herrscht heute eine Gesinnungs-Diktatur in der alle in einen Topf geworfen werden, ausser wenn es Muslime sind.
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