#Thüringen: rechte „Böse“ und gute „Linke“?

Im Moment lese ich sehr viele Beiträge zu Thüringen. Da werfen sich die beiden Kampflager gegenseitig vor, die Demokratie zu gefährden und die Verfassung ändern zu wollen. Und die angebliche „bürgerlichen Mitte“ macht mit, in dem sie selbst mit Schmutz wirft und alles, was konservativ oder liberal ist, ins rechte Lager verortet.

Aufteilung in ein linkes und rechtes Kampflager

Die NZZ beschreibt dies treffend mit diesen Worten:

Verheerend für die politische Zukunft Deutschlands ist nicht, dass der FDP-Politiker Thomas Kemmerich, der sich von der AfD genauso wie seine Partei konsequent und klar distanziert, mit der Annahme der durch AfD-Stimmen ermöglichten Wahl zum Ministerpräsidenten einen Fehler gemacht hat und FDP und CDU auf eine «Finte der AfD» (Andreas Rödder) hereingefallen sind.

Verheerend ist die Entgleisung des politischen Diskurses, die Aufteilung der Gesellschaft in zwei Kampflager: die Aufteilung der Gesellschaft in das linke «Gute», das den Rechtsradikalismus bekämpft, und in das rechte «Böse», das Rechtsradikalen nahesteht.

Solche Zuschreibung erbost diejenigen, die sich nicht als links definieren wollen, weil sie 44 Jahre linke Diktatur erlebten. Auch der SED-Staat brandmarkte jeden, der ihm politisch nicht passte, als «Faschisten».

NZZ vom 13.02.2020

Interessant ist dabei, dass alle Medien – sogar die NZZ – und die Mehrheit der Politiker die Annahme der Wahl zum Ministerpräsidenten als Fehler betrachten und niemand, wirklich niemand, die Frage stellte, warum denn die anderen beiden Parteien der „bürgerlichen Mitte“ (SPD und Grüne) nicht den Kandidaten aus der bürgerlichen Mitte (FDP) gewählt hatten, sondern weiterhin den vom rechten Rand.

Meinungsmacht im linken Lager

Während also kaum jemand die Koalition mit der umbenannten SED in Frage stellt, werden alle AfD-Mitglieder, deren Wähler, die Werteunion und selbst die FDP in die Nazi-Ecke geschoben. Dabei wird vergessen, dass im Bundestag DIE LINKE häufig zusammen mit der AfD abstimmen. Das ist  ja auch kein Wunder, da sie sich dort in Opposition befinden.

Parteimitglieder der AfD werden im Landtag angespuckt, FDP-Funktionäre und deren Familien werden bedroht, der Sprecher der Werteunion Ralf Höcker tritt nach massiven Drohungen vom Amt zurück, Funktionäre, die Kemmerich zur Wahl gratulierten und dies auch nicht zurücknehmen wollen, werden aus ihren Ämtern entfernt. Und all dies wird in den Medien nicht als Zerfall der Demokratie angesehen, sondern als „Wehret den Anfängen – gegen Rechts“ umgedeutet.

Eine Methode scheint sich in den Medien besonders bewährt zu haben: Während stets zwischen linken und linksextremen Ansichten unterschieden wird, wird auf der rechten Seite alles in einen Topf geworfen. Gleichsetzungsdelirien beherrschen den Diskurs der veröffentlichten Meinung: «liberal» gleich «konservativ» gleich «rechts» gleich «rechtsradikal» gleich «rechtsextrem» gleich nicht mehr diskussionswürdig, also: nicht mehr Teil der demokratischen Gesellschaft.

Nicht nur Menschen, Parteien und Argumente werden nach dieser Logik in «links» und «rechts», «gut» und «böse» eingeteilt, sondern auch Emotionen wie Hass, Empörung und Angst. Dieser Manichäismus ist gesellschaftlich so sehr akzeptiert, dass linke Politiker, Journalisten und Aktivisten überhaupt kein Hehl mehr aus ihrem bigotten Weltbild machen – wie etwa der Deutschlandfunk, der vor kurzem einen Kommentar mit dem Titel «Hassen? Ja, aber das Richtige!» veröffentlichte.

Linksliberale hassen also anders, sie hassen «richtig».

NZZ vom 15.02.2020

Das geht so weit, dass linksextremistische Angriffe auf AfD-Mitglieder als Angriffe im „politisch linken Milieu von Rechtsextremismusgegnern“ von der ZEIT beschrieben werden. George Orwell nannte so etwas „Neusprech“, wir nennen das heute Narrativ.

Sind LINKE und AfD verfassungstreu?

Ich glaube, dass beide Parteien unsere Verfassung stark ändern wollen. Von daher ist es auch richtig, wenn der Verfassungsschutz Teile der Parteien und ihre Unterstützer überprüft und gegebenenfalls auch beobachtet.

Der Verfassungsschutz unterscheidet zwischen Prüffall (interne Beobachtung ohne nachrichtendienstliche Methoden), Verdachtsfall (Überprüfung mit nachrichtendienstlichen Methoden) und Beobachtungsobjekten (Verfassungsfeinde).

In der Regel wird die Öffentlichkeit nicht informiert, wenn eine Organisation als Prüffall geführt wird, um diese nicht zu stigmatisieren. Bei einem Verdachtsfall muss nach einer gewissen Zeit die Entscheidung fallen, ob sich der Verdacht bestätigt hat oder auch nicht. Beobachtete Objekte und Subjekte können – wie Petra Pau und Bodo Ramelow – vor Gericht gegen die Beobachtung klagen.

Im Verfassungsschutzbericht 2018 wird die „Identitären Bewegung Deutschland“ (IBD) mit ca. 600 Mitgliedern als Verdachtsfall geführt. 2019 neu hinzugekommen sind „Der Flügel“ und die „Junge Alternative“, die ebenfalls als Verdachtsfall geführt werden. Unter den beobachteten Objekten gab es 2018 keine, die als Teile oder als Unterstützer der AfD aufgeführt sind.

Da die Vereinigungen, die Teile oder Unterstützer der LINKEN sind, schon länger agieren, ist die Zeit des Prüfens und des Verdachts bereits vorbei.

Der Verfassungsschutz beobachtet über 4.000 Mitglieder in den „Extremistischen Strukturen der Partei DIE LINKE“:

  • „Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE“ (KPF) mit 1.200 Mitgliedern, die den Kapitalismus abschaffen will.
  • „Sozialistische Linke“ (SL) mit 836 Mitgliedern, die den Kapitalismus abschaffen will.
  • „Arbeitsgemeinschaft Cuba Sí“ mit 536 Mitgliedern glorifiziert die kommunistische Gesellschaftsordnung Kubas.
  • „Antikapitalistische Linke“ (AKL) mit 1.011 Mitgliedern fordert einen „grundsätzlichen Systemwechsel“ sowie die Überwindung der bestehenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung durch einen „Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsstrukturen“.
  • „Marxistisches Forum“ (MF) mit 400 Mitgliedern unterstützt DIE LINKE und glorifiziert die SED-Diktatur und die DDR.
  • „marx21“ mit 300 Mitgliedern unterstützt DIE LINKE und fordert die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung.
  • Die kommunistisch ausgerichtete Tageszeitung „junge Welt“ (jW) mit einer Auflage von über 25.000 tritt für die Errichtung einer sozialistischen/kommunistischen Gesellschaft ein und ruft auch zu (nicht gewaltfreiem) Widerstand auf.

Laut der ZEIT gäbe es beim Flügel „ein bis zwei Dutzend besonders radikale AfD-Abgeordnete; tatsächlich betroffen ist allerdings erst eine Handvoll. Zeitgleich erwägt der Verfassungsschutz, auch die Überwachung einiger Abgeordneter der Linkspartei zuzulassen.“ Von daher kann es sein, dass sich demnächst die Verdachtsfälle erhärten – oder eben nicht.

Weitere Informationen zur LINKEN

Bis heute hat kein Parteitag der Linken die DDR klipp und klar als Diktatur verurteilt. Im Gegenteil: In ihrem Parteiprogramm wird behauptet, dass die Ostdeutschen während der 40-jährigen sozialistischen Diktatur vor allem positive Erfahrungen gemacht hätten. [..[ Die Unterdrückung in der DDR, die mindestens 200.000 Menschen ins Gefängnis brachte, bagatellisiert die Linke dagegen als „Erfahrungen staatlicher Willkür und eingeschränkter Freiheiten“. Trotz des Desasters der Planwirtschaft kämpft sie laut Programm immer noch für ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem in Deutschland – den Sozialismus.

Besonders ausgeprägt ist diese personelle Kontinuität in Thüringen, wo die Partei den Anspruch erhebt, weitere fünf Jahre zu regieren. Auch diesmal hat die Linke ihre Kandidaten so ausgewählt, dass von den 29 Landtagsabgeordneten etliche einst der SED dienten. (siehe unten)

All das spielt in der Berichterstattung über die Landtagswahlen in Thüringen keine Rolle. Viele Beobachter blicken nur auf den machtbewussten Spitzenkandidaten der Linken, Bodo Ramelow, der aus Westdeutschland kommt und deshalb als unbelastet gilt.  Ramelow hatte auch keine Bedenken, seine Regierung in den letzten fünf Jahren durch zwei ehemalige DDR-Spitzel stützen zu lassen: die Linken-Abgeordnete Ina Leukefeld und ihr Fraktionskollegen Frank Kuschel.  Beide wurden vom Thüringer Landtag gleich mehrfach für parlamentsunwürdig  erklärt, weil sie unter anderem Ausreiseantragsteller bespitzelt hatten.

Hubertus Knabe vom 02.11.2019

Mitglieder des Thüringer Landtages der LINKEN mit SED- und/oder StaSi-Vergangenheit

  • Birgit Keller, Infrastrukturministerin (2014–2019), Präsidentin des Thüringer Landtages (seit 2019): 1977 SED-Mitglied, hauptamtliche Funktionärin einer FDJ- und SED-Kreisleitung
  • André Blechschmidt, Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion : 1982 Mitarbeiter im Rat des Bezirkes Erfurt, Inoffizieller Mitarbeiter der StaSi
  • Knut Korschewsky, tourismuspolitischer Sprecher der Linksfraktion: 1979 SED-Mitglied, hauptamtlicher Funktionär der FDJ-Kreisleitung Suhl
  • Ute Lukasch, MdL: 1979 SED-Mitglied
  • Ralf Kalich, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion: 1979 SED-Mitglied, als Berufsoffizier bei den Grenztruppen dafür zuständig, Fluchtversuche mit Waffengewalt zu verhindern
  • Gudrun Martha Lukin, MdL: 1973 SED-Mitglied
  • Karola-Elke Stange, MdL: 1984 SED-Mitglied
  • Heike Werner, Arbeits- und Sozialministerin (2014-2020):  1984 FDJ, 1988 SED-Mitglied

Mein Fazit

Es ist mir unverständlich, warum Medien und Parteien, eine Koalition mit der LINKEN nicht als Bedrohung unserer Verfassung ansehen, jedoch bei einer Duldung einer Minderheitsregierung, die keine Koalition mit der AfD eingehen wollte, aus dem Häuschen geraten.

Es ist mir unverständlich, warum die Landesvorsitzende der FDP-Hamburg sich dafür entschuldigt, vernünftige Anträge der AfD in der Vergangenheit unterstützt zu haben und begrüße die Einstellung der Berliner FDP.

FDP Hamburg (Frau Suder) : „Heute, nach Thüringen, würde ich nie wieder einem Antrag der AfD zustimmen. Weil wir gesehen haben, dass die AfD die parlamentarische Demokratie zerstören will. Thüringen ist in dieser Frage also ein Wendepunkt.“

FDP Berlin (Fresdorf): „Wir würden uns lächerlich machen, wenn wir plötzlich alle Anträge ablehnen, selbst wenn sie unserer Linie entsprechen würden. In der Konsequenz müsste man dann eigene Forderungen zurückweisen, wenn sie von der AfD eingebracht würden.“

Die WELT vom 14.02.2020

Es ist mir auch unverständlich, warum in den Medien bei rechter Gewalt die über 10.000 Propaganda-Delikte nicht extra erwähnt werden. Delikte, die Linke gar nicht begehen können, weil T-Shirts mit Hammer&Sichel, Mao oder Che keine Propaganda-Delikte sind, Hakenkreuze jedoch schon.

Ebenfalls findet keine Erwähnung, wie sich die Extremisten gegenseitig bekämpfen bzw. diejenigen, die sie als politische Feinde ansehen:

rechtsextremisten

Es ist mir unverständlich, dass die praktizierte Gewalt nicht stärker geächtet wird, wenn sie sich gegen vermeintlich „rechte Böse“ wendet.

P.S. aus 2023

Faeser und Haldenwang löschen im Verfassungsschutzbericht 2022 fast alle Angaben zum Linksextremismus in der Partei „Die Linke“. Bereits im ersten von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgelegten Verfassungsschutzbericht des Bundes für 2021 gab es Retuschen und Streichungen bei der Darstellung linksextremer Gruppierungen in der Partei „Die Linke“. Im neuen Bericht für das Jahr 2022 wurden die Angaben darüber nun fast vollständig gelöscht.
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/verfassungsschutzbericht-angaben-linksextremismus-partei-die-linke/

8 Gedanken zu “#Thüringen: rechte „Böse“ und gute „Linke“?

  1. Wieder einmal eine scharfe Analyse!
    Mir faellt zusaetzlich auf, dass in politischen Diskussionen die betroffenen Politiker selbst nicht darauf hinweisen, dass der angebliche Teufel mit dem Beezlebub ausgetrieben werden soll.
    Ein bedenkliches Zeichen: Scheinbar kann sich keiner der aktuellen „Politiker“ mehr vorstellen, wie es ist, wenn man fuer Entscheidungen Mehrheiten gewinnen muss. Ohne die Absicherung durch den Fraktionszwang koennen die nicht.
    Bei dem Wahlergebnis _KANN_ es allerdings keine Mehrheit ohne einen von links oder rechts geben. Man hatte hier also die Wahl zwischen nachgewiesenen „Undemokraten“ und „poesen Rechten“.

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  2. Bei all dem Gezänk um die bösen Linken und die bösen Rechten, wobei die Rechten doch besonders böse sind und die Linken doch eigentlich gar nicht so schlimm, vielmehr doch eigentlich gut sind, bleibt eines auf der Strecke: Was ist denn nun eigentlich „links“ und was „rechts“. Ich denke, dass vor allem viele von denen, die ständig von der rechten Gefahr fabulieren, nie ein Buch über Sozialismus gelesen haben und daher in Wirklichkeit gar nicht wissen, wovon sie reden. Sie sind diesbezüglich ungebildet und das hat viel mit dem deutschen Bildungssystem zu tun. In den Schulen wird zwar viel von den bösen Nazis geredet, aber meistens geht es eben nur um Nazis, selten um Nationalsozialisten und schon gar nie geht es darum, was Sozialismus ist.
    Die verschiedenen Schattierungen, Merkmale und Auswirkungen des Sozialismus werden dagegen auf amerikanischen Seiten sehr oft besprochen. Das amerikanische Mises-Institut hat gerade heute einen Aufsatz veröffentlicht, der die wichtigsten Strömungen des Sozialismus darstellt. Die sozialistischen Schattierungen werden, um den Aufsatz kurz zu halten, nur sehr grob besprochen, aber es zeigt doch sehr deutlich, dass man differenzieren muss und dass das pauschale Geschrei, das man hierzulande seit einiger Zeit in immer schrilleren Tönen antrifft, eine sehr armselige Angelegenheit ist.

    Ich bringe hier eine deutsche Übersetzung dieses Aufsatzes, und zwar in zwei Teilen. Teil zwei gibt es in den nächsten Tagen.

    Eine kurze Klassifikation der Sozialismen (Teil 1)

    von Alan Gindler via The Mises Institute, 15.02.20

    Es gibt unzählige Worte, die über den Sozialismus geschrieben wurden, und doch gibt es selbst in den Köpfen derer, die auf der anderen Seite des politischen Spektrums stehen, noch immer viele falsche Vorstellungen darüber. Die auffälligsten und häufigsten Fehler sind die Identifikation des Sozialismus ausschließlich mit dem Marxismus, die Verwechslung der Begriffe Sozialismus und Kommunismus und die Behauptung, Faschismus und Nationalsozialismus gehörten zur Rechten, um nur einige zu nennen.

    Es ist notwendig, eine umfassende Definition des Sozialismus zu erarbeiten, die Hauptmerkmale zu bestimmen, die auf eine Zugehörigkeit zum Sozialismus hinweisen, und die sozialistischen Tendenzen anhand dieser Merkmale zu klassifizieren, um den Begriff ein für allemal zu klären.

    Die zeitgenössische Bedeutung von Sozialismus geht oft davon aus, dass es sich um eine wirtschaftspolitische Theorie handelt, in der angenommen wird, dass die Produktionsmittel, die Verteilung des Wohlstands sowie der Austausch von der Gemeinschaft als Ganzes beherrscht und reguliert werden. Diese Charakterisierung des Sozialismus betont seine wichtigen wirtschaftlichen Merkmale; allerdings kann sie nicht als eine umfassende Definition angesehen werden. Die Formulierung impliziert ein enges Verständnis des Sozialismus aus der Sicht materialistischer und positivistischer Strömungen des Sozialismus, umfasst aber nicht vollständig die Merkmale, die antimaterialistische, antikartesische [René Descartes, 1596 – 1650] und kantische [Immanuel Kant, 1724 – 1804] Mitglieder der sozialistischen Familie aufweisen.

    Mir scheint, dass die umfassendste Definition des Sozialismus wie folgt lautet:
    Sozialismus bezeichnet eine Reihe von künstlichen sozioökonomischen Systemen, die sich durch unterschiedliche Grade der Vergemeinschaftung von Eigentum oder Bewusstsein oder durch die Umverteilung von Wohlstand auszeichnen.

    Beachten Sie, dass der Sozialismus als künstliche Erscheinung bezeichnet wird, was bedeutet, dass er nicht auf natürliche Weise während der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft auftritt, sondern den Nationen grob durch die Handlungen von Aktivisten aufgezwungen wird.

    Diese Definition leitet sich aus der spartanischen Methode der qualitativ vergleichenden Analyse (qualitative comparative analysis, QCA) der zwölf wichtigsten Strömungen des Sozialismus ab und erfüllt das Kriterium von Notwendigkeit und Angemessenheit. Mit anderen Worten: Die Vergesellschaftung des Eigentums, die Kollektivierung des Bewusstseins und die Umverteilung von Wohlstand sind notwendige und hinreichende ursächliche Faktoren, die einzeln oder in Kombination eine Ideologie eindeutig als sozialistisch definieren und bevorzugte Wege zum Sozialismus aufzeigen.

    Angesichts dieser drei Hauptursachen ist es leicht, sozialistische Strömungen im Universum der politischen Philosophien zu identifizieren und einzuordnen. Die nuancierte Unterscheidung zwischen sozialistischen Bewegungen wird durch Merkmale erklärt, die zwar wesentlich, aber nicht allgemein genug erscheinen, um die Einordnung einer politischen Philosophie in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen. Gleichzeitig hat jede der folgenden Ideologien mindestens einen ursächlichen Faktor, der die Lehre klar als sozialistisch charakterisiert.

    Der allgemeine Bereich des Sozialismus umfasst mehrere Ideologien, die sich historisch in den meisten Fällen feindlich gegenüberstanden:

    Der Marxismus ist der besondere und extreme Fall des Sozialismus, der Kommunismus genannt wird. Marx hat den Begriff des Sozialismus nicht erfunden. Die Ideen des Sozialismus waren schon lange vor Marx bekannt und beeinflussten unbestreitbar seine Weltanschauung. Stattdessen schuf Marx die Theorie des „wissenschaftlichen Kommunismus“. Der Kommunismus ist durch die vollständige Vergesellschaftung des Eigentums und die vollständige Kollektivierung des Bewusstseins gekennzeichnet. Der orthodoxe Marxismus hat sich nie manifestiert.

    Der Marxismus-Leninismus, auch als Bolschewismus bekannt, ist eine Überarbeitung des Marxismus hinsichtlich des Umfangs und der Triebkräfte der kommunistischen Revolution. Wenn, wie Marx meint, die Revolution in den entwickelten Industrieländern gleichzeitig durch die Masse des Proletariats herbeigeführt werden sollte, dann konnte für Lenin die bolschewistische Revolution in einem einzelnen Agrarland unter der Führung einer revolutionären Avantgarde stattfinden. Dennoch war das Ziel des Marxismus-Leninismus der Kommunismus, was die totale Kollektivierung von allem und jedem bedeutete. Im zaristischen Russland gelang ein bolschewistischer Staatsstreich, und das kommunistische Regime bestand von 1917 bis 1991.

    Quelle: www mises.org/wire/socialism-brief-taxonomy

    Teil 2 folgt in den nächsten Tagen.

    Allan Gindler, der Autor, hat übrigens die UdSSR noch selbst erlebt!

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  3. Eine kurze Klassifikation der Sozialismen (Teil 2)

    von Alan Gindler via The Mises Institute, 15.02.20

    Der TROTZKISMUS ist im Wesentlichen ein echter Marxismus-Leninismus, der politisch versucht, seine theoretische Reinheit zu bewahren. Trotzki war ein Begründer der Theorie der „permanenten Revolution“, die besagt, dass sich eine proletarische Revolution in einem Land auf die Nachbarvölker ausbreiten sollte, bis kommunistische revolutionäre Transformationen die ganze Welt umfassen. Er kritisierte Stalins Politik von links und argumentierte, dass der Aufbau des Kommunismus in einem einzelnen Land eine Abweichung von der ursprünglichen Absicht sei, dass die Enteignung von bäuerlichem Eigentum sofort hätte abgeschlossen werden müssen und dass das Proletariat getäuscht und weiter ausgebeutet worden sei, diesmal jedoch durch die sowjetische Nomenklatur. Im Wesentlichen warf Trotzki Stalin vor, die Ideale der proletarischen Revolution zu verraten.

    ANARCHO-KOMMUNISMUS bedeutet ebenfalls die vollständige Kollektivierung von Eigentum und Bewusstsein. Die Doktrin akzeptiert jedoch nicht die marxistische Idee der Diktatur des Proletariats, die Berufung der Arbeiterklasse als alleinigem Akteur der Revolution und die zwei Etappen auf dem Weg zu einer kommunistischen Gesellschaft. Die Anarcho-Kommunisten hofften, eine kommunistische Gesellschaft ohne Staat aufzubauen, sobald sie während des revolutionären Krieges an die Macht kämen. Während der Revolution und des Bürgerkriegs im Russischen Reich wurde der Anarcho-Kommunismus kurzzeitig von 1918 bis 1921 auf dem freien Territorium der Südost-Ukraine institutionalisiert.

    Reformismus oder SOZIALDEMOKRATIE (Europa), in den USA auch Demokratischer Sozialismus genannt, ist eine bedeutende Weiterentwicklung des Marxismus, der praktisch nicht einmal das Fundament echter marxistischer Prinzipien verlässt. Der Reformismus ist seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts eine Hauptrichtung der sozialistischen Ideologie und Praxis. Die Umverteilung des Reichtums und die teilweise Vergesellschaftung des Bewusstseins sind die Hauptwege, die von der Doktrin genutzt werden. Der Sozialismus soll innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft schrittweise aufgebaut werden, indem die sozioökonomischen Gesetze des Landes mit Hilfe parlamentarischer Verfahren systematisch verändert werden. Große Bedeutung erfährt auch die mentale Transformation der Mitglieder der Gesellschaft durch die Indoktrinierung der Bevölkerung in Bildungseinrichtungen und die Verbreitung sozialistischer Ideale in den Massenmedien, sozialen Netzwerken und der Popkultur.

    Revolutionärer SYNDIKALISMUS [d.h. radikaler Sozialismus der Gewerkschaften] (in Italien, Frankreich), Anarchosyndikalismus (in Spanien) und Gildensozialismus (in Großbritannien) sind nichtmarxistische Strömungen des Sozialismus, d.h. sie haben sich nicht an die Grundsätze des wissenschaftlichen Kommunismus gehalten. Der Hauptpfad zum Sozialismus ist die Enteignung der rechtmäßigen Eigentümer mit anschließender Kollektivierung und Übergabe an die Leitung des Arbeitskollektivs. Man ging davon aus, dass die Früchte der Arbeit auf dem Markt zwischen verschiedenen Produzenten sowie zwischen den Dörfern und Städten ausgetauscht würden. Während des spanischen Bürgerkriegs (1936 bis 1939) gelang es den Anarchosyndikalisten, die politische Macht in Aragonien, Andalusien und Katalonien zu erlangen.

    Der FASCHISMUS (Italien) ist eine nicht-marxistische, antimaterialistische, antipositivistische Strömung des Sozialismus. Der italienische Faschismus stellte sich einen neuen Gesellschaftstyp vor, der sowohl den Kommunismus als auch den klassischen Liberalismus ablösen sollte; er wurde weder als rechts noch als links konzipiert. Die praktische Umsetzung des Faschismus war jedoch die vollständige Vergesellschaftung des Bewusstseins, die teilweise Kollektivierung der Produktionsmittel und eine beispiellose Umverteilung des Vermögens. Die Produktionsmittel blieben juristisch im Besitz der Eigentümer, aber de facto konnten sie nicht frei darüber verfügen. Der Faschismus wurde der italienischen Gesellschaft von 1922 bis 1945 aufgezwungen.

    Der NATIONALSOZIALISMUS (Deutschland) ist eine nicht-marxistische Variante des Sozialismus, die auf der rassischen und pseudowissenschaftlichen Theorie der Überlegenheit der Arier basiert. Der Nationalsozialismus verfolgte die vollständige Kollektivierung des Bewusstseins, die teilweise Vergesellschaftung der Produktionsmittel und die aggressive Umverteilung des Vermögens als Methode zur Erreichung eines sozialistischen Paradieses für das Volk. Wie in jeder anderen totalitären Gesellschaft war der Staat trotz einer de jure Zulassung von Privateigentum der letztendliche Eigentümer der Produktionsmittel. Im Gegensatz zum Faschismus glaubte der Nationalsozialismus nicht an den Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital und bestand auf der Einheit der Nation angesichts der sozioökonomischen und militärischen Herausforderungen. Der Nationalsozialismus manifestierte sich in Deutschland und dauerte von 1933 bis 1945.

    Es ist zu beachten, dass, wenn einer sozialistischen Strömung jeglicher Couleur genügend Zeit gegeben wird, alle [drei o.g.] ursächlichen Faktoren unabhängig vom gewählten Weg ihren maximalen Wert erreichen. Das heißt, in der Endlichkeit, wie die Mathematiker sagen, werden alle Produktionsmittel unweigerlich sozialisiert, und das Individuum wird zwangsweise dem Kollektiv unterworfen. In diesem Sinne ist eine so scheinbar milde Strömung wie der demokratische Sozialismus genauso gefährlich wie alle anderen Vertreter der sozialistischen Familie.

    Über den Autor:
    Allen Gindler ist ein Wissenschaftler aus der ehemaligen UdSSR, der sich auf politische Ökonomie, Ökonometrie und Wirtschaftsingenieurwesen spezialisiert hat. Er lehrte Wirtschaftskybernetik, Standarddatensysteme und computergestützte Arbeitsgestaltung an der Nationalen Chmelnytskyi-Universität, Ukraine. Derzeit ist er als privater Berater der IT-Industrie in den Bereichen Datenbankverwaltung und Kryptographie tätig. Sein Hobby ist die politische Philosophie, Geschichte, Bevölkerungsgenetik und biblische Archäologie. Er hat Artikel und Meinungsbeiträge in Mises Wire, American Thinker, Foundation for Economic Education und Biblical Archaeology Review veröffentlicht.

    Quelle: www mises.org/wire/socialism-brief-taxonomy

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  4. Es gab und gibt in Deutschland nicht viele Menschen, die im Bereich Volkswirtschaftslehre und Sozialismus so kenntnisreich waren wie der Privatgelehrte und Volkswirt Roland Baader.

    Hier ein Zitat aus „Kreide für den Wolf“, in dem Baader den Nationalsozialismus ganz klar links einordnet. Dabei bringt er ein Zitat von Roland Haffner, der den NS ebenfalls links verortet. Der gesamte Text nach dem Doppelpunkt ist ein direktes Zitat:

    Und auch der einer „rechten“ Gesinnung gewiß nicht verdächtige Sebastian Haffner trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er schreibt: „Nichts ist irreführender als Hitler einen Faschisten zu nennen. Faschismus ist Oberklassenherrschaft, abgestützt durch künstlich erzeugte Massenbegeisterung. […] [Hitlers] Nationalsozialismus war alles andere als ein Faschismus. […] seine ,Sozialisierung der Menschen‘ [hat] genaue Entsprechungen in sozialistischen Staaten, wie etwa der heutigen Sowjetunion und DDR [1978]” Mit dem Taschenspielertrick „nationalistisch” als „rechts” zu bezeichnen (bzw. zu identifizieren) – und damit eine ideologische Gegnerschaft gegen „links” vorzutäuschen (und umgekehrt), kann noch heute jeder politische Wahrheits-Dieb den Bürgern das Schmalz aus den Hirnkästen entwenden. Beide – sogenannte „Rechte” und „Linke” – sitzen in Wirklichkeit links bis ultralinks von der Mitte und schlagen sich – als verfeindete Brüder der gleichen sozialistischen Pöbel-Sippe – mit Krallen und Zähnen darum, wer die Mitte in Fetzen reißen und auf den Kadavern seine Fahnen hissen darf. Und in ihrem Kampf ging es nie um mehr oder weniger Demokratie, sondern immer nur um das Vorrecht, die Demokratie zu zerreißen und mit kollektivistischen Wahnregimen beerben zu dürfen. Selbst die „Rettungs-Theorie” der gemäßigten Sozialisten, der Sozialdemokraten, ist nur eine fromme Legende. Der 20. Juli war eine Verzweiflungstat des stockkonservativen Bürger-Adels, und die sogenannte „Zwangsvereinigung” von SPD und KPD zur SED 1946 war in Wirklichkeit ein euphorischer Freudentaumel. (Der Beschluß zur Vereinigung erfolgte auf dem 40. Parteitag der SPD-Ost im April 1946 unter frenetischem Jubel – und einstimmig.
    – Zitat Ende

    Baader, Roland: Kreide für den Wolf – Die tödliche Illusion vom besiegten Sozialismus, Böblingen: Tykve, 1991, Seite 266 f.

    Das Buch wurde leider bisher nicht mehr nachgedruckt. Die Erben von Roland Baader stellen aber dankenswerter Weise ein kostenloses PDF davon zur Verfügung:
    www roland-baader.de/bucher-2/

    Gefällt 1 Person

  5. Im Juni 1942 schrieb Ludwig von Mises, einer der größten Wirtschaftswissenschaftler des vergangenen Jahrhunderts, einen sehr aufschlussreichen Leserbrief an die New York Times. Das Thema des Briefs: Die Planwirtschaft der Nationalsozialisten sowie der Unterschied zwischen den Enteignungen Stalins und den Enteignungen Hitlers.

    Hier ein paar Auszüge:

    „Die deutsche Form des Sozialismus (Zwangswirtschaft) ist dadurch gekennzeichnet, dass sie, wenn auch nur nominell, einige Institutionen des Kapitalismus beibehält. […] Das Privateigentum bleibt nominell unberührt. Tatsächlich aber sind die vormaligen Unternehmer auf den Status von Betriebsführern degradiert worden.“

    „Dies [der Nationalsozialismus] ist Sozialismus im Gewand des Kapitalismus – vollumfängliche Planung und totale Überwachung aller wirtschaftlichen Aktivitäten durch die Regierung. Einige Bezeichnungen einer kapitalistischen Marktwirtschaft wurden beibehalten, aber sie bezeichnen etwas vollkommen anderes, als sie es in einer echten Marktwirtschaft tun würden. Dieses System des deutschen Sozialismus unterscheidet sich von dem vollständig bürokratisierten russischen Modell. In Russland sind alle Unternehmen staatliche Dienststellen, so wie es in anderen Ländern die Verwaltungen der Armee oder des Postwesens sind.“

    Mises nennt auch den Grund, warum die Nationalsozialisten direkte Enteignungen vermieden hatten bzw. warum sie dies nicht machen konnten:
    „Dem russischen Beispiel zu folgen, hätte den Aufbau der deutschen Exportwirtschaft in Stücke gerissen und den Lebensstandard einer ganzen Nation, der durch den Kapitalismus erfolgreich gehoben wurde, schlagartig ins Elend gestoßen.“

    Quelle:
    www misesde.org/2015/11/zwangswirtschaft-%e2%80%93-die-deutsche-form-des-sozialismus/

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