Im November 2014 wurde bei Lindenbergs Flug nach Paris im Handgepäck ein ungeladener Taschenrevolver im Kal. .22 und die passende Munition gefunden. Eine Untersuchung in seiner Hotel-Suite wurde auch gleich angeordnet, aber nichts Verdächtiges gefunden.
Lindenberg bekam dennoch seinen Flug nach Frankreich und meldete sich aus Paris bei der ‚Hamburger Morgenpost‘: „Alles cool. Keine Panik. Das war ’ne Waffe meines Bodyguard-Teams. Gruß von den Champ Elysées.“ Neben dem Ermittlungsverfahren gegen Lindenberg bei der Staatsanwaltschaft Hamburg wird auch noch gegen einen Bodyguard ermittelt. Die Polizei erließ ein Waffenverbot für den Musiker.
Udo Lindenberg bekommt Waffenverbot erteilt (MSN vom 03,08.2015)
Ein Waffenverbot bedeutet, dass Lindenberg weder Schreckschuss-, noch Luftpistolen besitzen darf; auf keiner Kirmes darf er an eine Schießbude gehen und jede künftige Situation (auch Notwehr) wird für ihn belastend, falls er mit einem Baseballschläger, Küchenmesser oder was die Polizei sonst noch auf ihrer „Waffenliste“ führt, angetroffen wird.
Die Hamburger Polizei findet, dass man Udo Lindenberg weniger Vertrauen als einem durchschnittlichen Volljährigen schenken darf.
Warum?
Ich habe mir die letzten zwei Wochen diverse Urteile und Gesetzestexte zum Waffenverbot durchgelesen, meine Erkenntnisse in einer PDF zusammengestellt und wende diese jetzt im Fall „Waffenverbot für Udo Lindenberg“ an.
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es einzelne Personen gibt, die durch ihr konkretes Verhalten ex negativo bewiesen haben, dass sie das Vertrauen, das der Gesetzgeber in den durchschnittlichen Volljährigen setzt, nicht verdienen. In diesen Fällen ist ein Waffenverbot für den Einzelfall zulässig, wenn eine auf Tatsachen gestützte Annahme fehlender Eignung oder Zuverlässigkeit besteht.
Schauen wir uns Herrn Lindenberg an. Dieser ist voll geschäftsfähig, führt Touren, Plattenaufnahmen, Musikals durch und ist nicht durch rohe Gewaltedelikte aufgefallen, stattdessen engagiert er sich bei „Rock gegen rechte Gewalt“.
Ja, er hat gegen das Waffengesetz und Luftsicherheitsgesetz verstoßen, weil er eine – vermutlich – illegale Waffe und Munition im Bordgepäck hatte und damit erwischt wurde. Dieser Verstoß führt dazu, dass er – falls er verurteilt wird – für mindestens 5 Jahre nicht zuverlässig genug ist, um legale Waffen zu erwerben.
Ist er aber auch so unzuverlässig, dass man ihm unbefristet den Umgang mit jeder erlaubnisfreien Waffe verbieten muss?
Ein Waffenverbot ist laut Gesetz insbesondere sinnvoll, wenn eine konkretisierte Gefahr durch Tatbestände vorhanden ist. Wir durchleuchten einmal Lindenberg hinsichtlich der konkretisierten Gefahren:
konkretisierte Gefahr lt. Gesetzgeber | trifft zu? |
---|---|
Begangene Tat, die auf rohe oder gewalttätige Gesinnung schließen lässt | nein |
Schwäche (kann den Zugriff Dritter, z.B. minderjähriger Kinder, nicht unterbinden) | nein |
begangene schwere Straftat mit Hilfe oder unter Mitführung von Waffen/Sprengstoff | nein |
Besonders leichtfertiger Umgang mit Waffen (grob fahrlässig) | nein |
Überlassung von Waffen an Nichtberechtigte | nein |
Umbau von erlaubnisfreien Waffen zu erlaubnispflichtigen Waffen | nein |
Begangene Straftat, bei der üblicherweise Waffen mitgeführt werden, wie Einbruchsdiebstahl, Raub | nein |
Häufige Trunkenheit/Rauschmittelzustände | ?? |
Der letzte Punkt wäre zu prüfen. Sofern diese Rauschzustände jedoch nicht in Gewalttaten münden oder dazu führen, dass Minderjährige Zugriff erhalten, dürften auch das keine erhöhte Gefahr darstellen, die ein Verbot erfordert.
Ich habe ein sehr gutes Urteil aus Dresden gefunden, in dem das Waffenbesitzverbot bei einem angeblich Suizidgefährdeten u.a. mit diesen Worten ablehnt wurde:
Das Waffenbesitzverbot wird als Ermessensentscheidung getroffen. Eine Ermessensreduktion auf Null ist jedoch nicht anzustreben.
Dabei muss das Interesse der Allgemeinheit an einem umfassenden, auf Dauer ausgesprochenen Waffen- und Munitionsverbot mit dem Interesse des Klägers, von einem solchen Verbot verschont zu bleiben, unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände abgewogen werden.
M.E. sind die Bedürfnisse des Herrn Lindenberg von einem Verbot, das i.d.R. nur kriminelle Gewalttäter erhalten, verschont zu bleiben, höher zu bewerten als eine spekulative Gefahrensreduktion.
An Udo Lindenberg – man kann ihn mögen, muss es aber nicht – wurde ein sinnfreies Exempel statuiert.
Höchstwahrscheinlich kannte Lindenberg sich nicht mit dem Waffenrecht aus. Noch wahrscheinlicher ist, dass sein Bodyguard bei dem restriktiven deutschen Waffenrecht niemals einen Waffenschein erhalten würde und trotzdem Lindenberg schützen soll.
Bei uns in Deutschland laufen Hunderttausende von Menschen mit illegalen Schusswaffen rum, doch passieren tut kaum was. Waffenbesitz führt nicht zu Gewalt, aber manche Menschen sind Zielscheiben für Gewalttäter – insbesondere Promis.
Aus dem Grund hatte sicherlich auch Dieter Bohlen eine illegale Flinte zu Hause, mit der er in vermeintlicher Putativnotwehr ungezielt auf Polizisten schoss, bevor er nackt mit seiner Freundin Estefania in den angrenzenden Wald floh. Dessen Verfahren wegen illegalen Waffenbesitzes wurde gegen eine – sehr hohe – Geldbuße eingestellt.
Mir kommt das wie Willkür oder Rache vor.
- Lindenberg steht aufgrund seiner Popularität permanent im Rampenlicht – welche Gefahr sollte von ihm ausgehen?
- Was soll das Verbot für freie Waffen nützen?
- Wollen wir in einem Staat leben, der repressiv statt gerecht und nachsichtig ist?
Die Allgemeinheit kennt Lindenberg als exzentrischen, aber harmlosen und pazifistischen Star. Eine solche Strafe mag sicherlich die üblichen Verdächtigen erfreuen, dient aber der Allgemeinheit überhaupt nicht und es wird dadurch nichts sicherer.
Lindenbergs Waffenbesitzverbot zeigt den Geist der rot-grünen Koaltion von 2002-2006. In dieser Zeit wurde das Waffengesetz verabschiedet und in der Erklärung tauchen die Wörter repressiv und präventiv sehr häufig auf.
Erst die Waffen-Verwaltungs-Vorschrift, die 2012 verabschiedet wurde, ging wieder von etwas mehr Selbstkontrolle statt Kontrolle aus. Es mag daher nicht wundern, dass gerade Hamburg eine solch unrechte Ermächtigung erlässt.
Die Begründungen 2001/2002 und auch 2011/2012 habe ich meiner PDF kommentiert und im Wortlaut zitiert. Es lohnt sich, dies nachzulesen.
Hat dies auf Semper Fidelis rebloggt und kommentierte:
Katja Triebel zu Udo Lindenberg
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[…] Weiterlesen … […]
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[…] Hier geht es zum Artikel bzgl. Udo Lindenbergs Waffenverbot: https://legalwaffenbesitzer.wordpress.com/2015/08/28/waffenverbot-fuer-udo-lindenberg/ […]
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Hallo Frau Triebel,
Sie schreiben: „Wie bereits 1977 im Beck’schen Kommentar angefügt, darf der §5, der die Zuverlässigkeit für erlaubnispflichtige Waffen regelt, nicht herangezogen werden,
um den Besitz von erlaubnisfreien Waffen zu verbieten.“ Können Sie mir bitte die genaue Fundstelle nennen? Wie wird diese Auffassung begründet? Kennen Sie Rechtsprechung, die dieser Meinung gefolgt ist?
Mit besten Grüßen
fca
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Beckscher Kommentar Seite 201: Besitzverbot (damals noch §40)
Mit einem bisschen Logik ist das leicht zu erklären: Das WaffG hat viele Paragraphen, die die Erteilung und den Widerruf von EWB-Waffen regeln. Hierzu gehört seit 2003 (meiner Ansicht völlig unbegründet) auch jegliche Straftat ab 60 Tagessätzen.
Wer nun solch ein Urteil von 60 oder mehr Tagessätzen erhält, ist laut §5 regelunzuverlässig. Dazu schreibt die WaffVwV: Bei Verurteilungen, die nur im Regelfall und nicht absolut zur Unzuverlässigkeit führen, ist in jedem Einzelfall durch die Behörde zu prüfen, ob besondere Umstände ausnahmsweise den Schluss auf die Zuverlässigkeit zulassen. In Fällen, die keinen Waffen-, Gewalt- oder Trunkenheitsbezug haben (z. B. bei bloßen Vermögensoder Abgabedelikten) soll besonders genau geprüft werden, ob ein Regel- oder Ausnahmefall vorliegt.
So wie ich es in der Praxis erfahren habe, können Menschen, die im Regelfall für unzuverlässig erklärt wurden, nach fünf oder zehn Jahren versuchen, die Vermutung durch „tadelloses“ Verhalten widerlegen und bekommen dadurch auch wieder eine WBK.
Ein Waffenbesitzverbot hingegen wird unbefristet erteilt.
Die Urteile vom VG Halle und OVG Magdeburg sind nach meiner Rechtsauffassung daher falsch. Jemand, der wegen Urkundenfälschung 60 Tagessätze erhalten hat, ist nicht absolut unzuverlässig und könnte nach 5 Jahren eine WBK beantragen. Dann darf dieser Mensch auch kein Waffenbesitzverbot erhalten. Das würde ja den §5 ausser Kraft setzen.
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Ich bin ja der Meinung, dass die meisten Rechtsanwälte, Staatsanwälte und Richter das WaffG nicht verstehen und restriktiver anwenden, als es der Gesetzestext hergibt.
Da zudem den Gerichten noch die Möglichkeit eingeräumt, eine Revision abzulehnen, ist es nicht verwunderlich, wenn „normale“ Menschen nach dem ersten Urteil aufgeben statt ihr Recht durch alle Instanzen einzuklagen.
I.d.R. bekommt ja niemand mit, dass man ein Waffenbesitzverbot für freie Waffen erhalten hat: kein Verkäufer, kein Kirmesbudenbesitzer, kein Schießstandleiter. Dumm wird es erst, wenn derjenige in späteren Jahren doch Interesse am Schießsport oder der Jagd bekommt. Dann kann sich wie ein Engel benehmen, er bekommt keine WBK. U.a. weil die Richter dann sagen, er hätte ja das Urteil vor zig Jahren akzeptiert.
Wir bräuchten eine Waffenlobby, die für solche Prozesse den Anwalt stellt und die Gerichtskosten übernimmt, damit in Deutschland auch Recht gesprochen wird und der nächste Richter auf das Urteil Bezug nehmen kann. Doch diese gibt es nicht, erst recht nicht für „normale“ Menschen.
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Hallo Frau Triebel,
danke für den Hinweis. Leider ist die Entscheidung VG Gelsenkirchen vom 17.09.1974 – 5 L 1001/74 nicht auffindbar und sicherlich inzwischen vernichtet. Damit existieren nur noch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts, die es anders sehen! Das ist ganz herrschende Auffassung und könnte nur durch das Bundesverfassungsgericht umgestoßen werden.
Mit besten Grüßen
fca
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Und genau aus diesem Grund sollte ein Verband mal die Prozesskosten bis zum BVerfG übernehmen für jemanden, der keine WBK besitzt.
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Können Sie mir vielleicht doch noch sagen, wo ich die Fundstelle finde? Wer sind die Autoren des „Beckscher Kommentar““, um welche Auflage handelt es sich und um welches Erscheinungsjahr? Das würde mir sehr helfen. Danke!
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1977, Dr. Gerhard Potrykus (Amtsgerichtsdirektor a.D.), Beck’scher Kurz-Kommentar zum Waffenrecht, 1. Auflage von 1977.
Das Buch gefällt mir super gut, weil es praktisch und vernünftig das WaffG 1972/76 erklärt. Es ist noch ganz dicht dran am Bürger. D.h. grundsätzliches Vertrauen plus vermehrte Haftung für Devianz. Wogegen das WaffG 2002/03 von erhöhter Prävention für potentielle Risiken ausgeht; Risiken, für die ich keine statistisch signifikanten Fallzahlen finden kann.
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Risiken ? Unser Waffenexport ignoriert alle Risiken !
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